Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll26. Sitzung, 16. Juni 2009 / Seite 80

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lung die Rede, von einem Fall, wo ein unheilbar Kranker seinen Freund gebeten hat, ihn zu erschießen. Er habe darum gebettelt, inständig und immer wieder. „Zufällig“ hat der Sterbende eine Lebensversicherung von 220 000 € gehabt.

Ja, so abwegig ist es nicht, dass manchmal moralische Dämme brechen. Genau des­halb brauchen wir eine hochqualitative Hospiz- und Palliativversorgung. Es gibt da Plä­ne von 450 Betten plus mobile Dienste.

Der alles entscheidende Punkt ist der: Wenn Menschen dem Tode nahe sind, am Ende ihres Lebens sind, dann haben sie sehr oft Schmerzen, dann sind sie oft einsam, dann wissen sie oft nicht mehr aus und ein, und wenn sie dann keine Hilfe haben, keine hel­fende Hand da ist, dann ist der nächste Schritt ziemlich sicher der, dass sie sagen: Ich will nicht mehr, ich kann nicht mehr! Hilft mir jemand, zu sterben?

Dem nachzukommen, ist genau die falsche Antwort, denn wir wissen aus der Hospiz­bewegung, dass dann, wenn man diesen Menschen eine optimale Schmerztherapie gibt, wenn man diesen Menschen die Einsamkeit wegnimmt, der Sterbewunsch plötz­lich weicht und die Menschen die letzten Tage würdig verbringen wollen.

Warum ist das so wichtig? – Es ist vielleicht unspektakulär, aber es ist eine der wesent­lichsten menschlichen Fragen, die wir überhaupt stellen können: Wie gehen wir mit dem Ende des Lebens um?

Andere Staaten gehen sehr schleißig damit um. Für mich ist Holland das absolute Ne­gativbeispiel: 3 200 Patienten beenden ihr Leben nicht selbst, sondern es wird durch fremde Hand beendet – nicht mitgezählt die Dunkelziffer! –, und immerhin schon 20 Pro­zent sind Behinderte und Kinder, die gar nicht um ihren Tod bitten können.

Ich finde das – ich sage das hier ganz ehrlich – entsetzlich: Ich finde das entsetzlich, weil da ein Damm nach dem anderen bricht. Sie haben dort keine alten Menschen mehr! Sie brauchen auch keine Hospizversorgung, sie brauchen auch keine Pflegehei­me, weil die Menschen gar nicht da sind, weil sie ja schon um ihren Tod gebeten ha­ben und dann selbst sagen: Ich gehöre schon weg!, denn was soll der alte Mensch dann verlangen, wenn es keine Versorgung gibt?

Ich halte diesen ethischen Dammbruch, der in manchen europäischen Ländern stattfin­det und vor allem von Holland ausgegangen ist, für gar nicht lustig, für gar nicht ge­scheit und von einer menschlichen Armseligkeit. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Ab­geordneten von SPÖ, FPÖ und Grünen.)

Da sind die österreichischen Hospizpläne wirklich sehr zu loben! Ich weiß, wie schwie­rig etwas durchzusetzen ist, ich weiß, wie schwierig etwas umzusetzen ist, aber ich glaube, wir sind da schon einen Schritt weitergekommen.

Jetzt läuft in Deutschland gerade die Rationierungsdebatte. Was soll die Politik sagen, wenn die Ärzte dort bei begrenzten Mitteln verlangen: Ja, bitte, was ist zuerst zu ma­chen, die Hüfte oder der koronare Bypass? – Natürlich kommt bei solchen Fragen auch immer die Rationierungsdebatte am Ende des Lebens, und es gibt sehr wohl Gesund­heitsökonomen – und ich kann sie Ihnen auch zeigen –, die noch vor zehn Jahren gesagt haben: Na ja, im letzten halben Jahr fallen etwa 50 Prozent der Kosten an; was, wenn wir das letzte halbe Jahr irgendwie verkürzen?

Ich denke, Gesundheit und Ökonomie gehen oft miteinander einher, sind eigentlich Zwangspartner, aber das darf nicht dazu führen, dass man ökonomische Ansätze über Gesundheitsansätze stellt. Jeder von uns – jeder Einzelne von uns hier! – kann mor­gen krank sein, kann morgen Hilfe benötigen, und ich glaube, es ist schäbig, es ist völ­lig abzulehnen, wenn ein Mensch am Ende seines Lebens erkennt, dass es keine Hilfe gibt, dass es keine Versorgung gibt, und dass er dann sagt: Bitte bringt mich um!

 


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