Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll26. Sitzung, 16. Juni 2009 / Seite 193

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griff sehr verantwortungsvoll umgehen. Je öfter man den Begriff verwendet, desto mehr wird das zum Sprachgebrauch, wird verharmlost, ist einfach irgendwo dabei, dann er­kennt man nicht mehr das Besondere dieser Ideologie und dieses Verbrechens. Ich denke daher, dass man gerade aufgrund der Verantwortung gegenüber jüngeren Men­schen damit sorgfältig umgehen muss.

Aber ich komme zu einem zweiten Punkt. Es wird dauernd von einer Wählerlektion ge­sprochen. Die Wählerlektion ist, dass 54 oder 56 Prozent nicht zur Wahl gegangen sind! In absoluten Zahlen sitzen hier faktisch fast nur Verlierer, das ist das Entschei­dende. (Abg. Strache: Wir haben auch in absoluten Zahlen gewonnen!) Und die Unter­suchung in dem Buch bestätigt es: Es gibt in Österreich ein wachsendes Misstrauen gegenüber den Einrichtungen der Demokratie. Egal, aus welcher historischen Wurzel sich jeder Einzelne von uns hier definiert – das muss jeden von uns beschäftigen, der sich wirklich zum demokratischen Grundkonsens und zur parlamentarischen Demo­kratie bekennt!

Wenn eine Stimmungslage im Anwachsen ist, wo Leute sagen, mir ist ein Führer und eine Führergesellschaft lieber als parlamentarische Wahlen, als Verfassungen und als ein parlamentarisches System, dann muss man dem entgegenwirken! Dann muss man sich aber auch die Frage stellen, wie diese Sehnsucht nach einem Führer entsteht. Und darüber können wir hier noch öfters diskutieren, denn ich glaube, dass es ganz entscheidend ist, dass wir das hier aufarbeiten.

Ich komme zum nächsten Punkt. Jeder selbstverständlich auch wir – hat die Verbre­chen, die nach 1945 hier im Land geschehen sind, verurteilt! Aber eines muss ich schon sagen: Wir müssen auch die Abfolge sehen. Der rassistische Angriffskrieg, der 1938, 1939, 1940, 1941 über Europa getobt hat, wurde bitte vom Hitler-Regime ausge­löst, vom Nationalsozialismus. Das muss man in dieser Abfolge sehen, mit den unzäh­ligen Verbrechen, die dort in den besetzten Gebieten, in Polen, in der Ukraine, in Russ­land, am Balkan, wo auch immer, stattgefunden haben. Und das ist auszusprechen! (Abg. Strache: Das rechtfertigt keine einzige Vergewaltigung! Verbrechen bleibt Ver­brechen!)

Auch der Begriff Holocaust ist endlich einmal auszusprechen, die gezielte, geplante Vernichtung von Millionen Juden (Zwischenrufe bei der FPÖ) – nein, das muss, glaube ich, einmal in aller Deutlichkeit gesagt werden! Deswegen sind wir so sensibel, wenn es heißt, da wäre eine Diktatur durch eine andere Diktatur abgelöst worden, oder wenn von der „angeblichen Befreiung Österreichs“ gesprochen wird. Auch wenn damit argumentiert wird, dass wir danach erst ab 1955 mit dem Staatsvertrag selbst Verant­wortung tragen konnten – das ist eine Gleichstellung, das ist in der Kausalität und in der historischen Abfolge nicht richtig! (Abg. Strache: Figl hat schon gesagt: Öster­reich ist frei!)

Ich rufe Sie daher dazu auf, die Begriffe richtig zu verwenden, und weise darauf hin, dass die Beschäftigungspolitik im „Dritten Reich“ nichts anderes als die Vorbereitung dieses rassistischen Angriffskriegs war – mit unzähligen Zwangsarbeitern und Toten! Das, finde ich, ist entscheidend, und da muss man, glaube ich, deutliche Worte fin­den. (Beifall bei der SPÖ.)

Was Moral ist, Herr Kollege Kickl? Das kann ich Ihnen anhand eines Beispiels sagen. Weil Sie auf die Frau Präsidentin losgegangen sind: Moral ist, wenn man die zwei Bücher über die Aufarbeitung auch unserer, der sozialdemokratischen Geschichte herausgibt. Und wir sind die Einzigen hier, die zwei Bücher – BSA, Caspar Einem; Alfred Gusenbauer: Braune Flecken – herausgebracht haben!

 


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