Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 108

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„Der Kommissionspräsident und auch der Kommissar ist vergleichbar unserer Verwal­tung, die politischen Entscheidungen treffen die Regierungschefs oder Minister bei den Ratssitzungen oder eben das EU-Parlament. () Und daher finde ich diese Frage, wer wird Kommissionspräsident, die ist nicht so wichtig wie die Frage, wer verbietet die Spekulation mit Wasser, wer verbietet die Spekulation mit Energie, wer sorgt dafür, dass wir nicht dasselbe wieder aufbauen, was gerade in der Wirtschaft zusammenge­brochen ist?“

Der Bundeskanzler hat offenbar Europa bis heute nicht verstanden.

Die Kommission überwacht die Einhaltung des EU-Rechts und gilt damit als "Hüterin der Verträge", und sie ist wichtige Akteurin im Gesetzgebungsverfahren. Damit über­haupt ein Rechtsakt auf europäischer Ebene zustande kommt, bedarf es eines Vor­schlags der Kommission: Insofern ist die Kommission auch entscheidend für die euro­päischen Antworten auf die von Faymann genannten Themen. Die Wahl des/der Kom­missionspräsidentIn ist also ohne Zweifel die wichtigste europapolitische Personalent­scheidung, die die breitestmögliche politische Legitimationsbasis dringend benötigt.

Auch in der Frage des/der österreichischen EU-Kommissars/in prägen Desinteresse und Intransparenz die Vorgangsweise der Bundesregierung.

Im Europäischen Parlament haben sich die Mitglieder der EU-Kommission vor ihrer Be­stätigung einem Hearing und einem Zustimmungsvotum zu stellen. Ein ähnlich trans­parenter und nachvollziehbarer Entscheidungsprozess und eine echte parlamentari­sche Mitwirkung sollten auch auf nationaler Ebene eine Selbstverständlichkeit sein. Das sehen die österreichischen Regierungsparteien offenbar anders. Obwohl etwa SPÖ-Klubobmann Josef Cap in der ORF-Sendung im Zentrum vor wenigen Tagen sig­nalisierte, dass ein Hearing möglicher KandidatInnen für den Posten des österreichi­schen Kommissars auch für die SPÖ vorstellbar sei, will sich die Bundesregierung of­fenbar hinter verschlossenen Türen nach nicht nachvollziehbaren großkoalitionären Kriterien auf eine/n KandidatIn für den/die österreichischen KommissarIn einigen und diese/n dann im Hauptausschuss „abnicken“ lassen. Diese intransparente Vorgangs­weise ist wenig geeignet, das schwindende Vertrauen der Bevölkerung in die EU-Insti­tutionen zu stärken.

Ein Trauerspiel ist schließlich das Verhalten von SPÖ und ÖVP in Sachen Rederecht von EU-Abgeordneten im Plenum des österreichischen Nationalrats. Im Wahlkampf von den Spitzenkandidaten Swoboda und Strasser wie auch von Otmar Karas noch vollmundig eingefordert und schließlich von SPÖ und ÖVP zugesagt, fallen die Regie­rungsparteien wenige Tage nach der EU-Wahl um und wollen nichts mehr davon wis­sen. SPÖ und ÖVP wollen offenbar keine lebendigen europäischen Debatten durch ein Rederecht für EU-Abgeordnete und EU-KommissarInnen ins Plenum des österreichi­schen Parlamentes hereinholen.

Daher richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundeskanzler folgende

Anfrage

1. Werden Sie als österreichischer Vertreter im europäischen Rat trotz der politisch vollkommen unzulänglichen Performance des derzeit amtierenden Kommissionspräsi­denten und trotz der riesigen Herausforderungen, vor denen Europa steht, beim bevor­stehenden Europäischen Rat José Manuel Barroso für eine weitere Amtsperiode unter­stützen?

2. Werden Sie Barroso als österreichischer Vertreter im europäischen Rat auch gegen den Willen der sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament unterstützen?

 


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