Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll27. Sitzung / Seite 134

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Was ist dann Ihre Vision von Europa? – Weitermachen so wie bisher, weiter so?! Das ist alles?

Ich zitiere einen völlig unverdächtigen Journalisten, Paul Schulmeister, der, glaube ich, noch nie im Geruch stand, ein Grüner zu sein. In der „Presse“ vom Montag schreibt er:

„Niemand sollte sich täuschen über die schleichende Aushöhlung der Union. Jedes ,Weiter so!‘ verbietet sich. Doch gerade Barrosos Wiederbestellung wäre dieses Sig­nal. Für allzu viele Bürger sind die EU-Kommissare abgehobene Funktionäre ohne Strahlkraft“ (Ruf bei der ÖVP: Auch Lunacek!) – ein Symbol für den Erschöpfungszu­stand der Union. Barroso war nicht der Mann, dieses Image zu ändern.“ – Und so wei­ter.

Na ja, aber das ist das, was unser Bundeskanzler will, nämlich an diesem Zustand nichts ändern. Ich glaube, wir glauben, die Grünen glauben, dass gerade im jetzigen Zustand in der kommenden Fünfjahresperiode der Union die Kommission eine wichti­gere Rolle denn je hat – auch der Rat, auch das Parlament. Verstehen Sie mich nicht falsch, aber in diesem Machtdreieck zwischen Europäischem Parlament, Europäi­schem Rat und Europäischer Kommission darf die Kommission als die Vertreterin europäischer Interessen nicht untergehen. Ich glaube, wir brauchen hier keinen Politi­ker vom Typus eines Barroso. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das, was wir für die Europäische Kommission bräuchten, wäre jemand vom Typus eines Jacques Delors. Mit Sicherheit wäre ich in vielen Punkten mit Jacques Delors nicht einverstanden gewesen, aber dass er eine Führungspersönlichkeit war, ein Mann mit einer Vision von Europa, jemand, der auch imstande war, den Bürgern zu vermit­teln, was dieses Ding denn eines Tages sein könnte – das war er wohl. Das ist Barroso eindeutig nicht!

Herr Bundeskanzler, im Übrigen glaube ich, Ihr Delegationschef im Europäischen Par­lament hat Ihnen schon ausgerichtet, dass die Entscheidung über Barrosos Wieder­wahl oder Nicht-Wiederwahl nicht die Regierungen treffen, sondern die Mitglieder des Europäischen Parlaments. So habe ich Swoboda jedenfalls in Erinnerung.

Auch der derzeitige Fraktionschef der Sozialdemokraten im EP, Martin Schulz, hat sich eindeutig in mehreren Interviews geäußert. Sie brauchen ja nur im „profil“ von Montag nachzulesen. Frage: „Soll José-Manuel Barroso Kommissionspräsident bleiben?“ – Antwort Schulz: „Aus meiner Sicht nein. Er steht genau für die Politik, die gescheitert ist.“

Wer setzt sich jetzt durch? – Der Europäische Rat in Gestalt von auch mehreren so­zialdemokratischen Ministerpräsidenten – gibt es fallweise immer noch – oder die Frak­tion im Europäischen Parlament?

Was der Europäische Rat will, das ist etwas ganz anderes. Die wollen Zeit gewinnen, die wollen ein bisschen designieren, aber doch nicht sehr, jetzt informell einmal sagen, wir wollen Barroso, und in der Zwischenzeit mit ihm ihre üblichen Spielchen machen. – Das ist ja offenkundig.

Im „Handelsblatt“ von heute wird schon berichtet, wie sich einzelne Regierungen ver­halten, also unter anderem jetzt noch nicht genau nominieren, schon gar nicht jetzt das Parlament einschalten, sondern später.

Es heißt hier: „Für eine Verzögerung sprechen auch taktische Gründe. Je länger die EU-Chefs“ – der Europäische Rat ist gemeint – „Barroso hinhalten, desto mehr Druck können sie auf ihn ausüben.“

 


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