Der Besuch des Kindergartens stellt einen wichtigen Beitrag zur sozialen und kulturellen Entwicklung der Kinder dar. Der kostenlose Kindergartenbesuch ist daher absolut zu befürworten.
Der verpflichtende Kindergartenbesuch für 5-Jährige stellt jedoch einen massiven Eingriff in die Gestaltungsfreiheit des Familienlebens dar, der allein unter der Begründung, dass Kinder mit Migrationshintergrund, die kaum oder gar nicht deutsch sprechen dadurch besser auf die Schule vorbereitet werden könnten, nicht gerechtfertigt erscheint.
Die Ergebnisse der Studie zur „Frühkindlichen Sprachstandsfeststellung im Kindergarten“, welche im Frühjahr dieses Jahres vom „bifie“ (Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation & Entwicklung des österreichischen Schulwesens) herausgegeben wurde, lässt auch Schlüsse auf die Auswirkungen des Pflichtkindergartens auf die Fortentwicklung der Sprachkenntnisse nach und während des Kindergartenbesuchs zu.
Bei der Studie wurde in mehreren Bundesländern der Sprachstand der Kindergartenkinder und der damit einhergehende Förderbedarf ermittelt. So haben beispielsweise in Kärnten 93,1% der türkischen Kinder im Kindergarten einen Förderbedarf. In Salzburg sind es 92,8%, in der Steiermark 72,9%. In Wien, wo sich bekanntlich nur ein Teil der Migrantenkinder überhaupt in Kinderbetreuung befinden und man bei diesen durchaus von einer positiven Auslese sprechen kann, weil nur Eltern, die der Integration grundsätzlich positiv gegenüberstehen, ihre Kinder in den Kindergarten geben, wurde trotz aller Integrationsbemühungen mit zusätzlichen Betreuern, etc. ein Förderbedarfsanteil von 80,2% bei Wiener Kindergartenkindern mit türkischer Herkunft ermittelt. Bei Kindergartenkindern aus Ex-Jugoslawien wurden Anteile beim Förderbedarf zwischen 50 und 60% erreicht. Kinder mit deutscher Erstsprache kommen auf etwa 10% Förderanteil. Dabei handelt es sich um Kinder, die bereits jetzt einen Kindergarten besuchen. Wenn nun jene Familien mit Migrationshintergrund, die ihre Kinder derzeit noch nicht im Kindergarten untergebracht haben, diese durch die beschlossene Verpflichtung in den Kindergarten geben, wird sich dadurch die soziale und sprachliche Entwicklung der jetzigen Kindergartenkinder erschweren.
Mit folgenden weiteren Auswirkungen ist durch die Einführung der Kindergartenpflicht zu rechnen:
Die Auswirkungen in ländlichen Gemeinden, wo ohnehin schon fast jedes 5-Jährige Kind den Kindergarten besucht, werden sich in Grenzen halten. In den Ballungszentren mit höheren Migrantenanteilen wird es jedoch zu Problemen kommen. Dazu muss kurz ausgeholt werden. Der Erwerb der deutschen Sprache kann in Kindergartengruppen gut funktionieren, wenn das Kind mit fremder Muttersprache in einer Gruppe mit möglichst wenigen oder keinen anderen Kindern aus dem gleichen Sprachraum zusammentrifft, es also mehr oder weniger gezwungen ist, sich mit den Kindern in der deutschen Landessprache auszutauschen. Anders sieht es aus, wenn mehrere Kinder oder gar eine Mehrheit aus dem gleichen fremdsprachigen Sprachraum stammen. Dann funktioniert der Spracherwerb ohne ein mehr oder weniger verschultes System nur schwer oder gar nicht. Dieser Fall wird vor allem in Wien, den Landeshauptstädten und weiteren Städten und Gemeinden mit hohen Migrantenanteilen eintreten. Es ist zu befürchten, dass heimische Mittelstands-Familien, die es sich irgendwie leisten können, in private Einrichtungen ausweichen. Die aus ökonomisch schwächeren Familien stammenden einheimischen Kinder könnten sich dann einer migrantischen Mehrheit im öffentlichen Kindergarten gegenübersehen. In welche Richtung die Integration dann abläuft, ist einleuchtend.
Aufgrund der schon jetzt absehbaren mäßigen Auswirkungen des Pflichtkindergartens auf die sprachliche Kompetenz von Kindern mit Migrationshintergrund ist zu befürchten, dass nach einer entsprechenden Evaluierung in einigen Jahren die Kindergartenpflicht auch auf jüngere Kinder ausgedehnt wird.
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