Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 143

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einem sehr beeindruckenden Vortrag anlässlich einer Veranstaltung vorgerechnet, dass die Ausgaben für Gesundheit jährlich mit 5,3 Prozent nominell steigen. Richtig! Das bedeutet, wir stehen heuer – im Jahr 2009 – bei einem Betrag von 27,5 Milliar­den €. Wenn das aber so weitergeht, wird der nächste Betrag, der berechnet wird, im Jahr 2012 bei 34 Milliarden liegen. Es fehlen einige Milliarden, und ich frage mich – in diesem Punkt sind Sie die Antwort wirklich schuldig geblieben –, wie Sie das finanzie­ren wollen. Welche Ideen haben Sie in diesem Bereich?

Es fehlt mir noch etwas: Es sprechen alle davon, dass der Patient im Mittelpunkt steht, aber ich habe bei diesen Diskussionen immer den Eindruck, dass der Patient nicht im Mittelpunkt steht, sondern im Weg herumsteht. Wir verkennen, dass alles, was wir im Gesundheits- und Sozialbereich besprechen, dem Patienten – also letztendlich uns al­len – zugute kommen muss und nicht in irgendwelcher Form Machtspielen dienen darf. Der Patient ist kein Kostenfaktor, er ist kein Kunde, er ist ernst zu nehmen. Er ist Be­günstigter und Nutznießer in diesem Fall.

Den Patienten interessiert überhaupt nicht, was wir hier im akademischen Bereich diskutieren. Den Patienten interessiert, wie lange er warten muss, wenn er in die Am­bulanz geht; den Patienten interessiert, ob es seinen Hausarzt morgen noch geben wird oder ob er wegrationalisiert wird; den Patienten interessiert, ob es die Apotheke ums Eck noch geben wird und ob er uneingeschränkten Zugang zu seinen Medika­menten hat, ob er uneingeschränkten Zugang zu innovativen Produkten hat.

Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen. Sie haben gesagt, Sie wollen einen Zugang für alle, egal, wie dick die Geldbörse ist, und Sie haben auch gesagt, jeden Tag eine Mei­nung zu haben, ist jeden Tag eine Meinung zum Thema Gerechtigkeit. Ich kann Ihnen jetzt einen Vorwurf nicht ersparen und nehme zwei Beispiele heraus.

Eine Krankheit: Blutzucker, Diabetes. – In diesem Fall ist es in Österreich anders als in allen Ländern um uns herum und in ganz Europa. Es gibt ein Medikament, dessen Na­men ich jetzt nicht nennen werde, und dieses Medikament sichert dem Patienten eine relativ beschwerdefreie Zukunft. Bei uns bekommt der Patient dieses Medikament aber erst dann, wenn bestimmte Beschwerden auftreten; auf Deutsch heißt das – im Fall von Diabetes –: Wenn Gefäßerkrankungen auftreten, das Bein abgenommen werden muss, dann bekommt der Patient dieses Medikament. Das halte ich persönlich für einen Skandal und hat mit dem Anspruch, jeden Tag eine Meinung zum Thema Ge­rechtigkeit, nichts zu tun. Die Patienten besorgen sich dieses Medikament, wenn sie Geld haben, anderenfalls müssen sie darauf verzichten.

Ein zweites Beispiel – mein Lieblingsthema in diesem Bereich – sind die Selbstbehalte, vor allem im zahnärztlichen Bereich. Das ist ein Thema, bei dem ganz klar ist, dass je­mand, der eine dicke Geldbörse hat, einen besseren Zugang hat und eine bessere Versorgung bekommt. Warum, frage ich mich, müssen die Patienten in Österreich – vor allem im ostösterreichischen Raum, aber auch in Oberösterreich – ins benachbarte Ausland pendeln? Warum müssen Heerscharen nach Ungarn fahren, nur weil sie es dort billiger bekommen? Wieso schaffen wir es nicht, die notwendigen Strukturen vor­zusehen, um die Patienten im Land zu halten? – Das ist eine einfache Aufgabe. Ich könnte Ihnen unzählige Beispiele nennen, wie das funktioniert. Es muss hier eine Infra­struktur geschaffen werden, damit diese Patienten eben nicht mehr ins Ausland fahren müssen und in Österreich sich nur mehr diejenigen, die das Geld haben – die soge­nannten Reichen –, diese Grundversorgung leisten können.

Auch die Leistungserbringer fragen sich, warum sie in diesem Land nur als Kostenver­ursacher gesehen werden. Pfleger, Ärzte und Pharmaindustrie erbringen Leistungen und sind keine Kostenerzeuger. – Das ist eine Einstellungssache in unseren Gehirnen, möchte ich Ihnen zum Nachdenken mitgeben.

 


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