Das gesamte Steuer- und Sozialsystem erzeugt negative Arbeitsanreize, welche nicht nur die Arbeitsbereitschaft im Inland dämpft, sondern nicht zuletzt die Entscheidungen der Migranten beeinflusst. Auch die geplante und immer wieder verschobene bedarfsorientierte Mindestsicherung wird mit Sicherheit weitere Migrationsströme nach sich ziehen, denn sie nimmt auf die EU-Bestimmungen zur Freizügigkeit der Arbeitnehmer bzw. dem Niederlassungsrecht innerhalb der Union nicht Bedacht.
In Österreich liegt die Armutsgrenze derzeit bei 912,- Euro für einen Ein-Personen-Haushalt. Das ergibt sich aus einem von der EU entwickelten Verfahren, um Armut zu messen. Dieses Messverfahren nennt sich EU SILC und steht für "Situation on Income- and Living-Conditions". Grundlage für die Grenze zur Armut ist das Median-Haushaltseinkommen. Derzeit leben also rund 460.000 Menschen unter der Armutsgrenze. Dazu kommen rund 570.000 Menschen in Österreich, die als armutsgefährdet gelten. Aus der jüngsten Erhebung des Jahres 2007 geht in Summe hervor, dass 12 Prozent der Bevölkerung - das sind mehr als eine Million Menschen - in Armut leben. Das sind alarmierende Zahlen, die den sozialen Frieden und die Sicherheit in Österreich gefährden.
Nach den Erfahrungen von Hilfsorganisationen hat sich die Zusammensetzung dieser Gruppe in den vergangenen Jahren geändert. Nach wie vor sind es viele Mindestpensionisten oder Alleinerzieher, die gefährdet sind, in Armut zu leben. Aber mehr und mehr Menschen aus dem sogenannten Mittelstand drohen abzustürzen.
Der Mittelstand war über Jahre hinweg das personifizierte Versprechen der Gesellschaft, dass sich Leistung lohnt und ein gesellschaftlicher Aufstieg möglich ist. Heute fürchtet sich ein großer Teil des Mittelstandes vor dem Abstieg. Leistung scheint sich zudem für diese Gruppe – sie garantiert den größten Teil der Staatseinnahmen – immer weniger zu lohnen.
Daten der Sozialhilfe zeigen, dass Arbeitslosigkeit die Verarmungsursache Nr. 1 ist. Die negative Entwicklung am Arbeitsmarkt hat also noch eine weitere dramatische Auswirkung: Die Armut in Österreich steigt weiter an.
Laut einer Studie der Arbeiterkammer weisen Arbeitslose die höchste Armutsgefährdung auf: 33 Prozent aller Arbeitslosen sind armutsgefährdet. Dieser Wert ist nur deshalb nicht noch höher, weil viele Arbeitslose von ihren Partnern finanziell unterstützt werden. Die Höhe von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe allein lassen mehr als 177.000 oder 83 Prozent aller Arbeitslosen unter die Armutsgefährdungsschwelle von 912,- Euro monatlich rutschen. Die Armutsgefährdung von Arbeitslosen nimmt zu, da die Höhe des Arbeitslosengeldes seit vielen Jahren nicht mit der Teuerung Schritt halten kann. Das Arbeitslosengeld ist seit dem Jahr 2000 real, d.h. inflationsbereinigt, um 4 Prozent, die Notstandshilfe ist noch stärker, nämlich um 7,6 Prozent gesunken. Das durchschnittliche Arbeitslosengeld in Österreich belief sich im März 2008 auf 771,80,- Euro, die Notstandshilfe auf 594,70,- Euro.
Die soziale Absicherung bei Arbeitslosigkeit in Österreich ist im internationalen Vergleich besonders schwach. Vor allem Niedriglohnbezieher sind wenig abgesichert. Mit einer Lohnersatzrate von 55 Prozent liegt Österreich bei Niedriglohnbeziehern weit unter dem EU-15-Durchschnitt von mehr als 68 Prozent. Nicht nur im viel zitierten Skandinavien, auch in Polen und Tschechien sind Arbeitslose sozial besser abgesichert. In Dänemark, dem Land mit der geringsten Arbeitslosigkeit und der höchsten Beschäftigungsquote, bekommen Arbeitslose fast 90 Prozent ihres letzten Lohns. Lediglich in Ungarn, Griechenland und Irland ist die soziale Absicherung geringer. Die große Mehrheit der arbeitslosen Österreicher ist in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten verzweifelt auf der Suche nach einer Arbeitsstelle, nur ein kleiner Teil muss als arbeitsunwillig bezeichnet werden.
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