Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 90

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Was uns aber am meisten zu denken gibt, ist, dass nun die Kommission für Prove­nienzforschung gesetzlich verankert werden soll. Aus unserer Sicht wäre es konse­quent, die Tätigkeit der Kommission für Provenienzforschung schrittweise auslaufen zu lassen, wenn sämtliche Fälle aufgearbeitet sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Mit dieser Gesetzesnovelle entsteht der Eindruck, dass die Kommission für Prove­nienzforschung ein neues Betätigungsfeld sucht und auch bekommt – und für alle Zei­ten einzementiert werden soll.

Aus ebendiesen Gründen lehnen wir die Novellierung sowie auch den Antrag der Grü­nen ab, der noch viel weiter geht. Der Antrag der Grünen, den man auch ein „Lex Leo­pold“ nennen könnte, geht so weit, dass man das als Eingriff in die privaten Eigentums­rechte sehen kann. Das Museum Leopold ist eine Privatstiftung und fällt daher nicht unter das Rückgabegesetz.

Weiteres wollen die Grünen die Ermächtigung des Ministers in eine Verpflichtung zur Restitution aufgrund des Spruchs eines Beirates festschreiben. Diese Vorgangsweise widerspricht jeder Art von Rechtssicherheit. Daher ist auch dieser Antrag abzulehnen.

An die zuständige Bundesministerin gerichtet: Frau Ministerin, Ihnen ist vorzuwerfen, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, Österreich habe sich in den letzten 65 Jahren seiner Verantwortung seiner eigenen Geschichte gegenüber entzogen. – Abgesehen von der Existenz von diversen Fonds wurden seit dem Jahr 1945 weit über 20 Gesetze verabschiedet, die als Versöhnungshandlungen in die Zukunft gewertet werden können.

Es wäre weise, sie als solche zu würdigen und unverändert gelten zu lassen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.28


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Ab­geordnete Ablinger. Ebenfalls 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.28.31

Abgeordnete Sonja Ablinger (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! 1984 – und damit gehe ich auf die Schlussbemerkung der Kollegin Unterreiner ein – erschien in der amerikanischen Kunstzeitschrift „ARTnews“ ein Artikel mit dem Titel „A Legacy of Shame“ – „Ein Vermächtnis der Schande“. Dabei ging es um Österreichs Umgang mit jenen Kunstgegenständen, die während der Zeit des Na­tionalsozialismus jüdischen Bürgerinnen und Bürgern geraubt wurden.

Obwohl sich Österreich im Staatsvertrag verpflichtet hat, geraubtes Vermögen zurück­zugeben, geschah dies – und darauf bezieht sich dieser Artikel – lange Zeit nur zöger­lich oder zum Beispiel nur dann, wenn sich die Betroffenen selbst direkt bei den Mu­seen gemeldet haben. Sehr oft waren manche Museen gar nicht so sehr daran inter­essiert, zu wissen, wer denn die eigentlichen EigentümerInnen sind. Das „Vermächtnis der Schande“ beschrieb also den gebrochenen beziehungsweise den ambivalenten Umgang Österreichs mit der Rückstellung im Bereich der Naziraubkunst.

Basis dieser ambivalenten Haltung war sicher auch, dass bis in die achtziger Jahre eine verbreitete öffentliche Meinung war, dass Österreich erstes Opfer des National­sozialismus sei. Das hatte Auswirkungen auf die Art und Weise, wie Österreich seine Verantwortungsübernahme für die Verbrechen des US-Regimes formulierte bezie­hungsweise wie es handelte.

Erst die Rede des damaligen Bundeskanzlers Franz Vranitzky hier im Hohen Haus am 8. Juli 1991 eröffnete einen breiteren Paradigmenwechsel.

 


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