Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 217

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um einen sehr sensiblen Bereich, und daher sollte man sich auch sehr genau an­schauen, wie die Regelungen getroffen werden, die uns hier vorgeschlagen sind. Der derzeitige Rechtsstand ist ein Bundesgesetz über die Anerkennung der Leistungen im österreichischen Widerstand sowie zur abschließenden Beseitigung nationalsozialis­tischer Unrechtsakte. Man kann natürlich gescheiter werden und abschließende Besei­tigungen noch einmal verbessern, und das soll hier gemacht werden.

Wir haben das Aufhebungs- und Rehabilitierungsgesetz vorliegen. In seinem § 1 Abs. 1 wird dieses auf Ausländer ausgeweitet, die im Inland verurteilt wurden.

Das stimmt mich etwas bedenklich, denn eine Zuständigkeit für Ausländer, die auf ös­terreichischem Staatsgebiet verurteilt wurden, legt den Schluss nahe, dass es sich um eine Rechtsnachfolge handelt – und diese Diskussion wollten wir, glaube ich, nicht füh­ren. Peter Fichtenbauer hat bereits angedeutet, dass man sehr genau darauf achten müsste, wie man die Formulierung wählt, um nicht in diese Diskussion zu geraten.

Weiters wird in diesem Abs. 1 festgehalten, dass ab sofort keine Mischverurteilungen mehr geprüft werden. Bisher war im § 9 Abs. 1 des Befreiungsamnestiegesetzes von 1946 vorgesehen, dass Mischverurteilungen – das heißt, Verurteilungen, die einerseits auf­grund von Gesetzen, die eindeutig nationalsozialistisches Gedankengut beinhaltet ha­ben, und andererseits aufgrund von Straftaten, die auch nach österreichischem Recht strafbar wären, erfolgten – noch einmal einer Untersuchung unterzogen werden konnten.

Das ist natürlich tatsächlich in der Praxis nicht oder kaum mehr relevant, denn die ein­zige Straftat, die nicht verjährt wäre, ist Mord. Aber auf der anderen Seite geht es ge­nau darum, dass mit diesem jetzigen Akt alle Morde, die im Zusammenhang mit NS-Verurteilungen mitverurteilt wurden, auch endgültig amnestiert und aufgehoben sind – und das ist nicht in unserem Sinne; so stellen wir uns das nicht vor.

Weiters ist dann in § 1 Abs. 2, wie schon ausgeführt, eine Ausweitung auf Entschei­dungen, die bisher nicht berücksichtigt waren, vorgenommen worden. Das ist zweifel­los sehr sinnvoll und richtig, zum Beispiel die Ausweitung auf Entscheidungen des Volks­gerichtshofes, der Sonder- und Standgerichte oder der Erbgesundheitsgerichte.

Tatsächlich problematisch wird es dann allerdings in § 4 Abs. 1, in dem es eine ganz allgemeine Rehabilitierung all jener gibt, die zur Schwächung oder Beendigung des NS-Unrechtsregimes beigetragen haben. Das ist genau diese undifferenzierte Vor­gangsweise, die wir bekritteln, denn es wird weder auf ein Motiv Rücksicht genommen noch darauf, unter welchen Umständen eine derartige Handlung gesetzt wurde. Da­durch sind natürlich strafbare Handlungen, die nach derzeitigem Rechtsverstand ge­nauso strafbar wären, in einem rehabilitiert, und das ist doch sehr problematisch, denn bei diesem Gesetz geht es ja zweifellos nur darum, ein Symbol zu setzen – praktische Bedeutung hat es so gut wie keine.

Wenn man Deserteure pauschal rehabilitiert, dann muss man sich fragen, welche der zwei folgenden Sichtweisen man vertritt: Entweder steht es Soldaten grundsätzlich zu, selbst zu entscheiden, ob sie Befehlen gehorchen oder sich der Truppe entziehen – dann müsste das aber heutzutage auch gelten, und das wird wohl nicht gemeint sein –; oder jede Handlung, die gegen das NS-System gerichtet war, ist auf jeden Fall gerecht­fertigt.

Abgesehen davon, dass das dazu führen würde, die Mehrheit der Kriegsteilnehmer als feig oder unanständig ansehen zu müssen, muss man auch festhalten: Selbst wenn Widerstand Pflicht wäre, heiligt der Zweck nicht die Mittel! Auch dann können einzelne Handlungen beispielsweise den Tatbestand des Kriegsverbrechens erfüllen, und auch dann müssen diese Widerstandshandlungen dem Sittengesetz entsprechen. (Abg. Öl­linger: Welche?) – Mord zum Beispiel ist sicherlich eine Handlung, die in die­sem Zu­sammenhang auch nach wie vor tatsächlich strafbar sein sollte.

 


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