Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll41. Sitzung / Seite 159

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Steuersystem, sondern vielmehr unser Transfersystem. Es findet Umverteilung in Öster­reich in großem Maße über eine Fülle von Transferleistungen statt, und es sind hier insbesondere – und das sage ich durchaus auch ein bisschen mit Stolz – Familien­leistungen, die dazu beitragen. Dafür ist die Familienpartei ÖVP sehr maßgeblich verantwortlich. (Beifall bei der ÖVP.)

Aber, meine Damen und Herren, Sozialleistungen müssen in einem Land auch verdient werden. Verdienen kann man aber etwas nur, wenn auch eine Leistungsbereitschaft da ist. Grundvoraussetzung für eine Leistungsbereitschaft ist, dass die Menschen auch das Gefühl haben, dass Leistungsgerechtigkeit herrscht. Das ist die Grundlage dafür, dass Leistungen überhaupt erbracht werden, aufgrund deren man dann letzten Endes Sozialleistungen finanzieren kann.

Also es geht in dieser Debatte in besonderem Maße um Gerechtigkeit. Kollege Guger vom Wirtschaftsforschungsinstitut hat kürzlich festgestellt und etwas vereinfacht ge­sagt: Die untere Einkommenshälfte gewinnt durch unser Transfersystem, und die obe­re Hälfte bezahlt. Und ich sage, bis zu einer bestimmten Grenze ist das auch in Ord­nung so. (Abg. Öllinger: Bis zu welcher?) Darüber reden wir, und ich komme gleich dazu.

Aber es hat eine Studie des Joanneum Research Instituts in Graz auch anhand vieler Beispiele aufgezeigt, dass unser Sozialsystem, unser Transfersystem in vielen Be­reichen überschießende Verteilungswirkung hat, sodass in vielen Fällen Leistende, die über ihre Arbeitsleistung ihr Auskommen finanzieren, sich nahezu dumm vorkom­men müssen. Das Beispiel ist schon genannt worden: doppeltes Einkommen und unter dem Strich nahezu gleiches Nettoeinkommen unter Einbeziehung der Transferleistungen. Da stimmt etwas nicht.

Wir alle bekennen uns in diesem Land, denke ich, mit mehr oder weniger Überzeu­gung – wir mit großer Überzeugung – zum einzig funktionierenden gesellschaftlichen und wirtschaftspolitischen Modell: zur sozialen Marktwirtschaft. Und dieses Modell lebt davon, dass Leistungsorientierung auf der einen Seite und Solidarität auf der anderen Seite in Balance gehalten werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Das heißt aber, meine Damen und Herren, wir müssen gleichberechtigt und gleich­zeitig über Verteilungsgerechtigkeit (Abg. Öllinger: Ja!) und über Leistungsgerech­tigkeit diskutieren. Das eine nicht ohne das andere. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, wenn wir diese Diskussion führen wollen, dann brauchen wir eine seriöse Grundlage dafür. (Abg. Öllinger: Eine seriöse Chance!) Nur reflexartig zu sagen: Mit einem Transferkonto, mit der Sichtbarmachung der Transferleistungen könnte man Negatives tun – Herr Kollege Cap, Sie gehen sogar einen Schritt weiter, Sie unterstellen uns sogar schon, dass wir die Absicht hätten, das zu tun –, das ist ein sehr einfacher, um es nicht anders auszudrücken, Reflex, weil man sich offenbar davor fürchtet, eine Grundsatzdebatte zu führen. Nichts anderes wollen wir. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Und dafür braucht man eine seriöse Grundlage.

Ich zitiere noch einmal Guger vom WIFO – beileibe nicht jemand, der der Christ­demo­kratie besonders nahesteht –, der gesagt hat:

Ein Transferkonto „würde transparenter machen, was jeder bekomme – wie beim Leistungsnachweis der Krankenkassen“. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Das heißt, Herr Bundeskanzler: Wovor fürchten Sie sich? – Vor Transparenz als Grund­lage für eine seriöse Diskussion?

 


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