Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll45. Sitzung / Seite 176

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Im Juni wurde das Europäische Parlament neu gewählt, und mit 1. Dezember wird der Vertrag von Lissabon in Kraft treten. Der dadurch notwendige Konstituierungsprozess der EU-Institutionen ist auch mit personalpolitischen Entscheidungen verbunden.

Klubobmann Cap hat zu Beginn der Debatte gefragt, wer im FPÖ-Klub diese eher pein­liche Anfrage formuliert hat. Ich glaube, dass es Herr Strache selbst war. Ich habe mir einige Notizen von seiner Rede gemacht, nur Schlagwörter. Herr Strache, Sie müssen sich einmal selbst beim Reden zuhören: „unerträglich“, „unsäglich“, „lächerlich“, „unge­heuerlich“, „überfordert“, „böswillig“, „absurd“, „traurig“, „Hühneraugen“ und „Sauerei“ – das ist der Wortschatz des Herrn Strache, seine Rede kurz zusammengefasst. Herr Strache, auf diesem Niveau kann man weder über Österreich noch über Europa debat­tieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Wesentlich wohltuender war die Rede des Herrn Kollegen Van der Bellen, der mit fei­ner Klinge versucht hat, Salz in die Wunden der ÖVP zu streuen, weiterhin die Mär auf­rechtzuerhalten, wonach es ein agrarpolitisches Dossier für Österreich gegeben habe. (Abg. Dr. Graf: In der Zeitung steht’s anders!) Aber was mich beim Kollegen Van der Bellen inhaltlich wundert: kein Wort zum Umweltschutz, kein Wort zum Klimaschutz – ganz im Gegenteil: Kollege Van der Bellen redet der NATO-Achse das Wort, indem er Tony Blair und Joschka Fischer als die zukünftigen Protagonisten der Europäischen Union nominiert. Ich glaube, da ist auch einiges an inhaltlicher Debatte innerhalb der Grünen notwendig.

Meine Damen und Herren, was vonseiten der Opposition heute diskutiert wurde, geht an den Interessen der Österreicherinnen und Österreicher, an den Interessen der Europäerinnen und Europäer spurlos vorbei. Diese personalpolitische Debatte interes­siert einige wenige Kolumnisten (Zwischenruf bei der FPÖ), das sind einige Medienbe­richte, die eher ins „Goldene Blatt“ und andere Zeitungen passen. Tatsächlich sind die Diskussion über die Bewältigung der Wirtschaftskrise, die Anstrengungen Österreichs und der Europäischen Union, Antworten zu finden, damit aus der Finanz- und Wirt­schaftskrise keine Sozialkrise wird, die Fragen, die die Österreicherinnen und Österrei­cher und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ganz Europa interessieren.

Glaubt irgendjemand, dass die Wirtschaftskrise, die Arbeitslosigkeit, der soziale Zu­sammenhang in unserer Gesellschaft in oder nach dieser Wirtschaftskrise alleine leich­ter bewältigbar wären als in der Gemeinschaft der 27? Glaubt irgendjemand, dass die Antworten, die auf die Probleme an den Finanzmärkten, auf Fragen der Regulierungs­mechanismen gegeben werden müssen, ein Nationalstaat allein besser bewältigen könnte als die Gemeinschaft der 27? Glaubt irgendjemand, dass die Energiesicherheit in Europa – wie der Bundeskanzler sie vor wenigen Tagen in Russland verhandelt hat – eine national lösbare Frage wäre oder dass die internationale Zusammenarbeit auch den Österreicherinnen und Österreichern ein Mehr an Energiesicherheit garantie­ren kann? Das Gleiche gilt beim Klimaschutz. Gemeinsames Auftreten, gemeinsame Interessen werden uns ebenso in der Frage der inneren Sicherheit oder bei der Be­kämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität voranbringen.

Zugegeben, die Europäische Union ist ein Prozess, der lebt, der sich weiterentwickelt. Der Vertrag von Lissabon ist ein wesentlicher Meilenstein, der dem österreichischen Parlament und dem Europäischen Parlament ein Mehr an Mitspracherecht und den europäischen Bürgerinnen und Bürgern ein Mehr an Beteiligungsmöglichkeit bringt.

Trotzdem gibt es konkrete Vorschläge, wie man es das nächste Mal besser machen kann: Poollösungen, mehrere Kandidatinnen und Kandidaten vorschlagen, damit der Kommissionspräsident eine Wahlmöglichkeit hat. Ich stelle auch zur Diskussion, ob im Prozedere der Ratifikationsprozesse die Debatten über Ausnahmebestimmungen tat­sächlich sinnvoll sind, weil schlussendlich immer diejenigen die Dummen sind, die rati-


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