Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll45. Sitzung / Seite 187

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18.05.56

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Herr Präsident! Leider nicht anwesende Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Der Kindergarten ist eine Bildungseinrichtung, das hat sich leider noch nicht in alle Fraktionen herumgesprochen. Er ist nicht nur eine Betreuungseinrichtung. Von daher ist das, was wir heute besprechen, ein extrem wich­tiges Thema für die Zukunft Österreichs. Der Kindergarten ist der zentrale Punkt. Es ist jener Bereich, wo wir am effektivsten Geldmittel einsetzen können.

Ich möchte dazu nur das Forschungsinstitut für Bildung in Köln zitieren. Dieses spricht von einer Bildungsrendite von 7,5 Prozent – das ist in Zeiten wie diesen doch recht res­pektabel –, und zwar auf 35 Jahre. Das heißt, Bildungsökonomie, Pädagogik, alle die­se Bereiche weisen in dieselbe Richtung.

Frau Kollegin Steibl, eine große Korrektur: Wir fordern nicht den verpflichtenden Kin­dergarten ab dem ersten Lebensjahr, sondern wir fordern den Anspruch darauf, dass Eltern ihre Kinder in den Kindergarten geben können. Das ist wohl ein nicht unwesentli­cher Unterschied!

Wenn ich mir die Debatte so anhöre, muss ich sagen, die Position des BZÖ ist sehr er­freulich. Bei den Sozialdemokraten höre ich auch heraus, dass man prinzipiell dafür ist. Man traut sich nur wieder einmal nicht, auch konsequent dazu zu stehen. Sogar die fortschrittlicheren Teile in der ÖVP sagen ja, sie stünden dem Ganzen, wie Frau Staatssekretärin Marek, positiv gegenüber. Dem gelernten Lehrer graut es allerdings, wenn er den Konjunktiv II, den er hier als Konjunktiv Irrealis interpretieren muss, sieht, denn in Wirklichkeit tun Sie natürlich überhaupt nichts in diese Richtung. Sie verwei­gern diese notwendige Reform, Sie verweigern sich heute auch der Fristsetzung, ob­wohl Sie wissen, wie zentral diese Angelegenheit für uns wäre. (Abg. Donabauer: Für euch, ja!)

Nur ein Beispiel: Die Sprachstandsfeststellung hat ergeben, dass sich für Kinder, die Sprachprobleme haben, diese Probleme rasant reduzieren, wenn sie ein Jahr im Kin­dergarten sind. Wenn die Kinder zwei Jahre im Kindergarten sind, dann halbiert sich der Anteil jener Kinder, die Förderbedarf haben. Er halbiert sich! Und was besonders erfreulich ist: Bei jenen Kindern, die die größten Probleme haben, die also bei dieser Sprachstandsfeststellung – da gibt es 30 Punkte – 10 Punkte oder weniger erhalten, reduziert sich der Anteil der Kinder mit Förderbedarf von 46 Prozent auf 18 Prozent. Das wäre eben genau jene zielgerichtete Förderung, die wir dringend brauchen in Ös­terreich. (Beifall bei den Grünen.)

Wir müssen uns also dieser Aufgabe stellen, und wir bekommen dafür ja auch Unter­stützung. Der Europäische Rat hat im Jahr 2002 und im Jahr 2007 die sogenannten Barcelona-Ziele festgelegt. Da geht es nicht nur um die Hochschule, sondern da geht es auch darum, dass wir nationale Bildungs- und Erziehungsziele festlegen, also ge­nau das, was wir wollen. Und ich muss auch dazusagen, dass Sie da erste Schritte ge­macht haben. Der verpflichtende Kindergarten ab dem fünften Lebensjahr ist ja durch­aus als kleiner Schritt in die richtige Richtung zu verstehen.

Was wir wollen, ist eine qualitative Diskussion, eine Diskussion darüber, was den Kin­dern im Kindergarten beigebracht werden soll und wie es beigebracht werden soll. Um auch das ganz deutlich zu sagen: Wir wollen keine Verschulung des Kindergartens, sondern wir wollen den Kindern im Kindergarten jene Chancen geben, die sie brau­chen. Das betrifft vor allem die zunehmende Zahl von Kindern mit Sprachproblemen.

Noch einmal die Sprachstandsfeststellung: Wir haben inzwischen in Österreich das Problem, dass ein Drittel jener Kinder, die Förderbedarf haben, Kinder ohne migranti­schen Hintergrund sind. Sprachprobleme sind nicht mehr reduzierbar auf Kinder aus migrantischen Familien, und von daher müssen wir uns diesbezüglich wirklich Gedan-


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