Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll45. Sitzung / Seite 216

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

19.46.41

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Her­ren! Nachdem wir dem Gesetz zustimmen werden, erlaube ich mir einige kritische Be­merkungen. Zuerst einmal zur Patientenentschädigung.

Ich halte es für unerträglich und skurril, wenn ein Gesundheitsministerium Länder auf­fordern muss, ihnen Gesetze erklärt, wie sie zu lesen und wie sie zu handhaben sind, und trotzdem zahlreiche Bundesländer überliquide Patientenentschädigungsfonds ha­ben, weil sie sich bislang nicht danach gerichtet haben. Daran sieht man: Föderalismus mag seine Vorteile haben, aber er hat auch evidente Nachteile.

Dass das hier jetzt mit Gesetz geregelt werden muss, ist gut, aber dazu kommt ja noch etwas anderes: Es ist ja auch skurril, dass Patienten einen Teil ihres Spitalskosten­beitrags in den Patientenentschädigungsfonds zahlen müssen für den Fall, dass sie in der Krankenanstalt einen Schaden erleiden.

Wenn Sie zur Bundesbahn gehen, sich eine Karte kaufen, die 10,20 € kostet, und Sie zahlen noch 4 € an Beitrag in einen „Bundesbahnentschädigungsfonds“, weil vielleicht der Lokführer nicht gut drauf ist oder eine Ampel falsch gestellt wurde oder der Schaff­ner aggressiv ist, so muss ich sagen: Das ist ja unwürdig, so kann das nicht sein, das gehört besser geregelt!

Nun einige Bemerkungen zu meinen Vorrednern. – Die Behauptung, dass es so viele erfolgreiche Projekte des Nahtstellenmanagements gibt, halte ich gelinde gesagt für eine leichte Übertreibung, um es nicht als ärger zu bezeichnen. Es gibt nämlich eine Studie des IHS, die feststellt, dass von den innovativen Projekten in den Landesgrup­pen, in den Reformpoolgruppen nicht einmal 25 Prozent des zur Verfügung stehenden Budgets ausgenützt werden, weil keine Projekte da sind oder weil es nur virtuelle Bud­gets sind, die die Länder zur Defizitabdeckung ihrer Krankenhäuser bereitstellen. – Das ist das eine.

Das Zweite, zur ÖVP: Zwischen einem totalen Versorgungsstaat und dem Motto „Eigenverantwortung“, auf Deutsch: Wer krank wird, wird auch selber schuld daran sein!, gibt es schon noch Nuancen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wenn eine Frau ein Mammakarzinom kriegt, was hat sie denn da falsch getan: War sie übergewichtig, oder hat sie zu wenig Obst gegessen? Oder: Wenn ein Kind mit einer verschlossenen Spei­seröhre auf die Welt kommt, wo ist da die Eigenverantwortung? Oder: Wo ist die Ver­antwortung bei einem Kind mit einem Herzfehler oder bei einem Süchtigen? (Abg. Gril­litsch schüttelt den Kopf.)

Na, nicht den Kopf schütteln! (Abg. Grillitsch: Wir haben nicht gesagt, dass sie selber schuld sind!) Den größten Einfluss auf Gesundheit und Erkrankung hat Bildung und Einkommen. Wer kann selber bestimmen, wie viel er verdient, wie viel Bildung er hat – das sagen Sie mir einmal! – und wo er wohnt, in Hietzing oder an der Südtangente? – Das ist ein Unsinn!

Jetzt komme ich kurz auf die Ethikkommission zu sprechen. Da gibt es klare Verbesse­rungen. Eine Verbesserung stellt insbesondere die Vorschrift dar, dass Mitglieder der Ethikkommission Befangenheiten transparent machen müssen, Kooperationen mit der Pharmaindustrie und Ähnliches, nur: Meine Erfahrung und mein Wissen lauten so: Die werden natürlich gefragt, ob sie befangen sind. Die Antwort lautet zumeist: Nein!, auch wenn es der Fall ist. Also da muss man schon schauen.

Dass die Ethikkommission auch Studien aus dem Pflegebereich machen kann und Be­urteilungen vornehmen kann, ist gut, nur steht da ein „Kann“. Wie dieses „Kann“ in der Wirklichkeit beziehungsweise in der Realität zu werten ist, wie man feststellt, ob es der Interessenslage der Patientinnen oder Pfleglinge entspricht: ja oder nein?, das muss geklärt werden. Da muss ich fragen: Wie soll das laufen?

 


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite