Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll46. Sitzung / Seite 155

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Wir leben in einem Europa der religiösen Toleranz, wir leben in einem Europa der religiösen Vielfalt, wir leben in einem Europa der weltanschaulichen Vielfalt. Und diese Werte gilt es zu schützen, und das hat der Europäische Gerichtshof für Menschen­rechte getan. Bei uns steht es zum Glück jedem frei, sich zu einem Glauben zu bekennen, skeptisch zu sein meinetwegen, sich zu keinem Glauben zu bekennen, oder was auch immer er tun möchte. Wir leben in einem freien Land, und das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte festgestellt.

In diesem Zusammenhang noch zu dem viel weiter gehenden Antrag der Freiheit­lichen, die sich heute schon auf die 48er-Tradition berufen haben. Ihre Vorgänger würden sich im Grab umdrehen! Wir haben diese Fackel übernommen und sind eigentlich die wahren Nachfahren der 48er (Abg. Kickl: 68er! Sagen wir, 68er!), denn wir stehen zu den Werten, die damals im 19. Jahrhundert aufgestellt worden sind und mit denen man die Grundordnung im Jahre 1867 erkämpft hat.

Sascha Van der Bellen hat gestern in einer Diskussion bei uns im Klub um mehr Gelassenheit gebeten. Ich würde meinen, in dieser Diskussion wäre das auch am Platz. Und ich würde Ihnen noch einmal den Besuch eines Theaterstückes empfeh­len – über 200 Jahre alt –: Gotthold Ephraim Lessing, „Nathan der Weise“. Darin hat er deutlich gemacht, meine Damen und Herren auch von der Sozialdemokratie, die Sie sich in der Vergangenheit darauf immer wieder berufen haben, dass sich die wahre Kraft einer Religion in ihrer Praxis erweist und nicht durch Symbole oder durch politische Macht. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

16.37


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. 2 Minuten. – Bitte.

 


16.37.13

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ganz ruhig ein paar Worte: Ich persönlich – und ich spreche jetzt im Wesentlichen nur für mich, nicht für meine Fraktion – gehöre jetzt der zweitgrößten „Religionsgemeinschaft“, wenn man so will, in Österreich an, nämlich den Agnostikern. Sie liegen knapp hinter den Katholiken, glaube ich. (Abg. Neubauer: Woran glauben Sie? – Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: An sich selbst!) Das sind einfach Leute, sage ich einmal ganz grob, die die Gnade des Glaubens verloren haben, aus welchen Gründen auch immer.

Geboren bin ich als Evangelischer. Ich fühle mich in keiner der beiden Funktionen diskriminiert, auch früher nicht – nicht einmal als Evangelischer in Tirol; das war kein Problem.

Ich wundere mich schon über die Ängste mancher meiner katholischen Freunde, dass sie jetzt da so wahnsinnig in die Defensive geraten. Ich würde mir denken, dass jemand im Glauben Gefestigter solche Ängste gar nicht notwendig hat. Aber das ist mein persönliches Gefühl.

Was Kreuze in Klassenzimmern betrifft, so bin ich persönlich außerstande, mich so darüber aufzuregen – vorausgesetzt, es handelt sich nur um das Kreuz. Ich persönlich habe schon von klein auf, von Kind auf Probleme mit dem gefolterten Jesus Christus am Kreuz gehabt. Ich weiß nicht, ob man das unbedingt kleinen Kindern so nahe­bringen muss.

Und wenn schon das Kreuz hängt – und das wundert mich ein bisschen bei dem Entschließungsantrag betreffend die Präsenz von religiösen Symbolen –, dann hängen wir eben neben dem Kreuz andere religiöse Symbole auch auf, wenn das dem friedlichen Zusammenleben dient – da hätte ich persönlich nichts dagegen –, inklusive


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