Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll50. Sitzung, 11. Dezember 2009 / Seite 37

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sprechenden gesetzlichen Formulierungen ergibt – nicht der Rechtsprechung gleich­gesetzt werden. Insofern kann daher, auch in Kenntnis der Entstehungsgeschichte des Art. 90a B-VG, entgegenstehenden Rechtsmeinungen nicht gefolgt werden. Unzulässig wird aber jedenfalls ein Eingriff parlamentarischer Gremien in laufende Verfahren sein, weil dadurch u.a. der im Verfassungsrang stehende Trennungsgrundsatz verletzt würde.

Aus diesen Erkenntnissen zieht der Untersuchungsausschuss folgende Schlussfol­gerungen:

Unter Beachtung des materiellen Beschuldigtenbegriffes des § 48 StPO (in der Fassung des Strafprozessreformgesetzes) ist sicherzustellen, dass Verfolgungshand­lungen gegen Abgeordnete, sofern der politische Zusammenhang nicht offensichtlich verneint werden muss, ausschließlich nach erfolgter Zustimmung zur behördlichen Verfolgung erfolgen darf.

Bei der wahrheitsgetreuen Wiedergabe von Inhalten von Parlamentsreden ist die sachliche Immunität zu berücksichtigen. Dies betrifft nicht nur die Strafverfolgungs­behörden, sondern auch Gerichte, die diese Bestimmung im Rahmen der Behandlung von Fortführungsanträgen ebenfalls nicht beachten.

Generell ist sicherzustellen, dass die Strafverfolgungsbehörden nicht willkürlich zwi­schen der Zeugen- und Beschuldigteneigenschaft von Personen wählen dürfen, son­dern alleine entsprechend dem materiellen Beschuldigtenbegriff – unter Ausschluss von Opportunitätserwägungen – folgen. Dies betrifft insbesondere Sachverhalte, in denen der Hauptbeschuldigte in einem Naheverhältnis zum Zeugen steht, gegen den der Verdacht einer Bestimmungstäterschaft (insbesondere zu einem Amtsdelikt, etwa der Verletzung des Amtsgeheimnisses oder des Amtsmissbrauches) bestehen könnte.

Der Informationsschutz von Abgeordneten und der Schutz von Unterlagen sind in Straf­verfahren ausreichend sicherzustellen. Allein die Überlegung von Zwangsmaß­nahmen gegen Abgeordnete widerspricht den Regeln und tragenden Gedanken über die Immunität und ist zu unterbinden.

Der Untersuchungsausschuss verkennt nicht, dass im Falle eines strafrechtlichen Vorwurfes, an dem möglicher Weise ein Abgeordneter als Bestimmungs- bzw. Bei­tragstäter beteiligt ist, was – wegen der Komplementarität der Sachverhalte – Verfol­gungshandlungen auch gegen den Hauptbeschuldigten ausschließt, die notwendige Befassung des Immunitätsausschusses und des Plenums des Nationalrates zu nicht wünschenswerten Verzögerungen der Ermittlungen führt. Im Hinblick darauf wird angeregt, in solchen Fällen ein beschleunigtes Verfahren zur Ermöglichung von not­wendigen Ermittlungsschritten, insbesondere zur Sicherung von Sachbeweisen, zu schaffen. Auch die Problematik der Verjährung zu Gunsten möglicher Beitragstäter und die damit in engem Zusammenhang stehende Wahrung von Opferrechten muss dabei berücksichtigt werden.

Der Untersuchungsausschuss vermeint, dass – auch im Lichte der Erkenntnisse des Ausschusses – die StPO-Reform einer evaluierenden Überprüfung unterzogen werden sollte. Dabei sollte insbesondere auch die Frage der Einschaltung eines unabhängigen Richters zur Beweisaufnahme in besonderen Verfahren (§ 101 Abs. 2 StPO) überprüft werden.

Im Hinblick auf die festgestellten Mängel in der Strafrechtspflege erscheint es gerecht­fertigt, die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden in Ausübung ihrer Tätigkeit im Rahmen des Offizialprinzips einer nachprüfenden parlamentarischen Kontrolle – auch außerhalb von Untersuchungsausschüssen – zu unterziehen. Dadurch darf jedoch nicht in die Unabhängigkeit der Rechtsprechung eingegriffen werden. Dies bedeutet


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