Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung / Seite 156

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Schlag folgte im Oktober 2009, indem SPÖ und ÖVP im Burgenland eine 2010 in Kraft tretende Novelle zum Raumordnungsgesetz beschlossen, mit der ein Erstaufnahme­zentrum im Bundesland nur mit Zustimmung des Landes möglich ist. Dessen ungeach­tet präsentierte die Bundesministerin am 19.12.2009 die südburgenländische Gemein­de Eberau als Standort für ein Erstaufnahmezentrum, wobei die nächsten Tiefschläge prompt folgten. So kündigte Fekters Parteikollege, der Eberauer Bürgermeister Walter Strobl, bereits zwei Tage später aufgrund des anhaltenden Widerstandes eine verbind­liche Befragung seiner Bürger an. Nur einen Tag später hob die Bezirkshauptmann­schaft Güssing auf Weisung von SPÖ-Landeshauptmann Hans Niessl den Baube­scheid für das Erstaufnahmezentrum auf. Zudem lehnte der Gemeinderat von Eberau am 31.12.2009 einstimmig die Errichtung der Erstaufnahmestelle ab.

Auch im neuen Jahr setzte sich die Verlustserie der Bundesministerin fort. So stärkte Bundeskanzler Werner Faymann am 8.1.2010 im Rahmen der Präsidiumsklausur der Sozialdemokraten Landeshauptmann Niessl den Rücken und forderte vom Koalitions­partner ÖVP, das Ergebnis der Referenden als verbindlich zu akzeptieren. Bemerkens­wert ist in diesem Zusammenhang insbesondere, dass Vizekanzler Josef Pröll (ÖVP) zuvor anführte, solche Materien eigneten sich nicht für Volksbefragungen. Einen mu­tigen Vorstoß wagte stieß die Bundesministerin am 10. 01. 2010 mit dem Vorschlag, die Asylwerber im Erstaufnahmeverfahren etwa einen Monat hinter verschlossenen Tü­ren zu halten, was umgehend durch die SPÖ zurückgewiesen wurde. Unverdrossen startete die Ministerin am nächsten Tag gemeinsam mit Verteidigungsminister Norbert Darabos einen neuen Versuch, um einen neuen Standort zu finden, der – kaum über­raschend – erfolglos endete.

Die Manifestation der Niederlage nahm am 17.02.2010 ihren Lauf, indem die Burgen­ländische Landesregierung die Rückwidmung des Grundstücks für das geplante Erst­aufnahmezentrum veranlasste. Im Übrigen wandte sich das SPÖ-Parteipräsidium ge­gen eine allgemeine Aufenthaltspflicht und damit gegen den Vorstoß der Ministerin.

Am folgenden Tag beginnt sogleich der Rückzug der Ministerin, indem sie den Eber­auern in einem Brief zusagt, ein "Nein" bei der Volksbefragung zu akzeptieren.

Wie erwartet stimmten die Befragten am 21.02.2010 mit großer Mehrheit (90,1%) ge­gen den Bau des Erstaufnahmezentrums, womit die Manifestation der Niederlage der Bundesministerin amtlich ist.

Nach dieser deutlichen Antwort aus der Bevölkerung setzt die Regierung nun auf Ab­warten, indem zunächst die Entwicklung der Asylwerberzahlen beobachtet werden soll. Erst dann solle über die Erforderlichkeit eines weiteren Asylzentrums entschieden wer­den. Finanzminister Pröll stufte im Weiteren die Frage der "Anwesenheitspflicht" wäh­rend der Erstaufnahme als wichtig ein. Bundeskanzler Faymann folgerte aus dem Ab­stimmungsergebnis den Beweis dafür, dass "die richtige Vorgangsweise gemeinsam heißt" und führte explizit weiter aus: "Man bindet übrigens auch den Koalitionspartner ein, man informiert ihn nicht am Abend vorher."

In Betracht dieses Ablaufes drängt sich die Frage auf, ob ein derart ruderloses Vor­gehen einer Ministerin würdig ist, und ob sie dadurch nicht ihre notwendige Akzeptanz verloren hat, die ein derart verantwortungsvolles Amt erfordert.

Aus Sicht der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler drängt sich zudem die Frage auf, wie viele Kosten durch die verschwendeten Arbeitsstunden entstanden sind.

Die Debatte über mögliche Standorte verdrängt aber die eigentlichen Probleme aus der öffentlichen Wahrnehmung: Die Länge der Asylverfahren wird schon seit geraumer Zeit kritisiert bzw. ist schon lange bekannt. Aber auch in diesem Bereich sah man seitens der Bundesregierung scheinbar nicht die Erforderlichkeit, ausreichend zu reagieren.


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