Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung / Seite 56

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Auch die Märkte zu öffnen und die Liberalität der Märkte einzuleiten hat, ebenso wie die Erweiterung der Europäischen Union, für Exportländer wie Österreich, aber auch Deutschland oder andere Länder im eigenen Land vieles an Sicherheit und an Vortei­len gebracht, die nachrechenbar sind.

Gleichzeitig wissen wir, dass Liberalität und Offenheit von Märkten nicht ausreichen, um auch Wohlstand, sozialen Ausgleich und Rahmenbedingungen für Fairness und Gerechtigkeit zu schaffen. Niemand Geringerer als der heute schon erwähnte Profes­sor Stiglitz hat vor Kurzem gesagt, dass wir die Märkte wieder besser regulieren müs­sen. Ich zitiere:

„Vor der Krise war ja viele Jahre Deregulierung in Mode [...]. Heute wissen wir, wie falsch das war. Regulierung spielt für eine gut funktionierende Wirtschaft eine ganz entscheidende Rolle, und damit sie wirklich effektiv ist, müssen wir sie global koordi­nieren.“

Er sagt aber gleichzeitig: „Aber man muss ja nicht gleich alles gemeinsam beschließen. Praktikabler ist es, wenn jedes Land erst einmal seine eigenen Regeln verabschiedet [...].“

Es geht also nicht an, sich zurückzulehnen und zu sagen, solange wir uns nicht welt­weit in Umweltfragen, in Finanzmarktregulierungsfragen durchsetzen, können wir in der Europäischen Union gar nichts tun. Es geht nicht an, das als Ausrede zu verwenden, im eigenen Land nichts mehr zu machen, sondern es geht darum, zu wissen, dass Vor­bildwirkung im eigenen Land, Vorbildwirkung in der Europäischen Union erst die Kraft bringt, auch internationale Regelwerke einzufordern.

Ganz gleich, ob zum Schutze der Umwelt und zur Verhinderung des Klimawandels, zur Reduktion von CO2 oder zur Schaffung von Kontrolle von Finanzmärkten, zum Verbot von Spekulation oder zur Schaffung von gerechten Zuständen: Überall ist ein Ausmaß an Möglichkeiten im eigenen Land vorhanden, auch wenn man weiß, dass man in der Europäischen Union stärker und mit internationalen Regelwerken noch stärker ist.

Wir dürfen nicht in einen Wettbewerb der Standorte geraten, in dem wir versuchen, die Kosten der Wirtschaftskrise auf Massensteuern aufzuteilen, die Haushalte gleichmäßig zu belasten und damit die Kaufkraft, ja auch den sozialen Ausgleich in Europa gefähr­den. Daher wird die Frage, wer letztendlich diese Rechnung in Höhe von 800 bis 1 000 Milliarden €, die für die Budgetkonsolidierung in Europa vorgesehen sind, be­zahlt, eine ganz wesentliche sein. Es ist keine unwesentliche Frage, ob damit die Kauf­kraft der Schwächsten oder der Durchschnittseinkommensbezieher so geschwächt wird, dass der soziale Ausgleich in Europa verloren geht und die Ungerechtigkeit die Menschen auch bedrückt, betrifft und – davon bin ich überzeugt – in vielen Bereichen auch aggressiv machen würde, weil es nicht einzusehen ist, dass durch Spekulation die einen rasch wieder auf die Beine kommen und die anderen, die jeden Euro zweimal umdrehen müssen und sich fragen, ob sie sich die Miete oder das Leben überhaupt leisten können, diese Krise ausbaden sollen. (Beifall bei der SPÖ.)

Daher ist die Frage, wie gerecht es bei der Behebung der Schäden zugeht, genauso wichtig wie die Frage, wie zusätzliche und zukünftige Schäden verhindert werden kön­nen. An dieser ernsthaften Strategie der Europäischen Union, eine eigene Finanzmarkt­architektur aufzubauen, so etwas wie Regelwerke für soziale und wirtschaftliche Bedin­gungen auch in Europa zu finden, Kontrolle nicht einfach als Schild zu sehen, sondern mit all den notwendigen inhaltlichen Instrumenten und Maßnahmen auszustatten, an dieser Glaubwürdigkeit von Kontrolle, von Spekulationsverboten, von Regelwerken, da­ran wird die Europäischen Union und deren Entwicklung gemessen werden.

Ich weiß, wir sind weit entfernt von diesem Ziel. Ich weiß, dass viele Länder der Euro­päischen Union, vertreten durch ihre Regierungsverantwortlichen, mit denen ich ja na­hezu monatlich die Gelegenheit habe, auch einen politischen Informationsaustausch


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