Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 207

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Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.39.46

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Dass der Dialog ein wichtiger erster Schritt ist, mag schon sein, aber wenn man den Uni-Dialog erlebt hat, hätte man gerne die Gewissheit, dass dem ersten Schritt auch ein zweiter folgt.

Die Bemerkungen, es werde alles wieder gut, sind mir – egal, von welcher Seite sie kommen – ein bisschen zu dünn.

Vorweg: Es gibt sehr viele Fälle, bei denen Hörschäden bei Kindern übersehen wur­den. Ich kenne sogar einen Arzt für Allgemeinmedizin, dessen Kind auf einem Ohr völ­lig taub ist; der hat das auch übersehen.

Was Impfungen betrifft, wissen Sie – das brauche ich Ihnen nicht zu erzählen –, dass ein guter, vernünftiger Impfplan eine zentrale Säule der Prävention ist, weil die Zahl der Infektionen vermindert wird, infektionsbedingte Schäden reduziert werden und auch die Zahl infektionsbedingter Todesfälle minimiert wird.

Seit dem Jahre 2000 sind in Österreich für Kinder zusätzlich die Pneumokokkenimp­fung, die Meningokokkenimpfung und die Impfung gegen Rotaviren gekommen. Die Rotavirenimpfung ist seit 2007 kostenlos – und man fragt sich medizinisch, warum die­se schon und die anderen nicht. Das halte ich für einen Kardinalfehler. Rotaviren verur­sachen Durchfallerkrankungen, die selbstlimitierend sind; in Österreich 0,5 Todesfälle, Erwachsene einbezogen, pro Jahr. Das kann man bei Pneumokokken, Meningokokken nicht behaupten.

Die Kosten der Rotavirenimpfung liegen bei, glaube ich, 216 € – da müsste ich nach­schauen – und ein Jahr gewonnener Lebensqualität durch die Impfung 138 000 €. Alle Rechnungen sagen, dass das keine notwendige Maßnahme ist.

Bei Pneumokokken sind die Zahlen ganz anders. Hier lohnen sich Investitionen. Hier müssen die Anreize ganz niederschwellig gesetzt werden. Man sollte das auch bezah­len, weil es viel mehr Todesfälle, viel mehr ernsthafte Schäden gibt als bei Rotavirener­krankungen.

Man fragt sich: Wie fallen solche Entscheidungen? – Ich stelle die Fragen – ohne ir­gendwelche Schuldzuweisungen zu treffen –: Ist der Impfausschuss optimal besetzt? Traut die Politik jedem Mitglied des Impfausschusses oder vermutet sie – es gibt ja Bü­cher darüber, die will ich gar nicht nennen – zumindest Beziehungsgeflechte? Warum reagiert der Oberste Sanitätsrat nicht auf die Empfehlungen des Impfausschusses? – Das sind einige Fragen, die man einmal klären sollte.

Ich komme eigentlich schon zu dem Schluss, dass Impfen und Prävention vorwiegend niederschwellige Zugänge brauchen – diese stellen primär Aufklärung dar. Dabei muss man auch darauf achten, welche teilweise sektiererische Gruppen schon jede Impfung als Mord bezeichnen. Es gibt Leute, die sagen, in Afrika sterben mehr Leute an Imp­fungen als davon profitieren. Das ist wissenschaftlich erwiesenster Unsinn, aber die sind derart charismatisch, dass viele diesen Leuten auf den Leim gehen.

Zweitens geht es um die Leistbarkeit der Impfung. Wenn man die Frühsommergehirn­hautentzündungsprävention und die Influenzaprävention weglässt, kostet die Eltern die für Kinder empfohlene Impfung pro Kind über 700 €. Das ist wirklich gelebte oder erdul­dete Zwei-Klassen-Medizin und eigentlich eine Bankrotterklärung von Public Health!

Würde der Staat diese Impfungen einkaufen, würde sich das um 50 Prozent reduzie­ren. Österreich liegt, verglichen mit der Türkei sogar, anderen Nachbarstaaten und süd-


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