Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll70. Sitzung / Seite 156

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ZUERST werden klare Ziele - Verlagerungsziele, Modal-Split-Anteile der Bahn, dichter Taktverkehr, garantierte Mindestversorgung mit Öffis bis ins hinterste Tal, usw., - sowie die Geldquellen (insbesondere der LKW-Verkehr nach dem Prinzip der Kostenwahr­heit) gesetzlich festgelegt.

Und DANACH werden die sachlich nötigen und finanziell möglichen Bau- und Logistik­projekte sowie Anschaffungen in der zielführenden Reihenfolge auf den Weg gebracht, wobei der umweltschonende Verkehrsträger Schiene klare Priorität nicht nur in Sonn­tagsreden, sondern auch im politischen Alltag von der Regierung bis zu den Gemein­den genießt.

In der Praxis zeigt sich, dass die Schweiz solcherart regelmäßig mit derzeit und künftig wesentlich geringerem finanziellen Aufwand wesentlich mehr - zB Fahrgastzuwachs oder Verlagerungseffekt - erreicht als Österreich. Da für die Finanzierung des Schie­nenausbaus unter anderem eine flächendeckende LKW-Maut mit deutlich höheren Mautsätzen als in Österreich eingehoben wird, gelingt der Schweiz dies noch dazu, oh­ne ihre Bahnunternehmen unter Existenz gefährdenden Multi-Milliarden-Schuldenber­gen zu begraben wie es derzeit bei den ÖBB der Fall ist.

Selbst Deutschland verfügt über eine gesetzlich verankerte Gesamtverkehrsplanung, Projekte finden nur nach einer methodisch einheitlichen Bewertung und in einer sach­lich zu begründenden Prioritätenreihung Aufnahme. Die Umsetzung von Schienen-
und Wasserstraßenprojekten wird durch die Verwendung von LKW-Mauteinnahmen er­leichtert.

Auch in Österreich verlangen die knapper werdenden Mittel mehr Sorgfalt und echte Prioritäten beim Einsatz von Steuergeld. Spätestens jetzt müssen daher auch in Öster­reich mit einer echten "Verkehrswende" die Weichen gestellt werden, um die Schweiz als Vorbild einzuholen oder abzulösen.

Im Rahmen eines Gesamtverkehrskonzepts, das seinen Namen verdient, muss

der Bau zusätzlicher Autobahnen und Schnellstraßen gestoppt,

die Kostenwahrheit insbesondere im LKW- und Flugverkehr massiv verbessert,

damit die Verlagerung auf die Schiene und die Eindämmung des LKW-Transitverkehrs von der Sonntagsrede zur Praxis werden,

der beschäftigungspolitische Effekt der Infrastrukturinvestitionen optimiert werden.

Nur so kann die Bahn aus dem Schuldenturm zurück auf die Gewinnerstraße kommen und werden Großprojekte wie Koralmbahn oder Semmeringtunnel, erst recht ein Bren­ner-Basistunnel, langfristig hoffentlich die ihnen zugerechnete verkehrliche, volks- und regionalwirtschaftliche Wirkung entfalten können.

Bisher krankt Österreichs Infrastrukturpolitik hingegen an einer konzeptlosen, räumlich und zeitlich weitgehend unkoordinierten Hau-Ruck-Mentalität. Diese kommt unterm Strich nachweislich sehr teuer und ist wenig wirksam - das belegen zB wiederholte Fahrzeit­verlängerungen selbst auf teuer modernisierten Schienenstrecken wie Wien-Salzburg oder die Stilllegung von Regionalbahnen, an denen zuvor noch kräftig investiert wurde. Auch widersprüchliche, einander "kannibalisierende" Projekte wie eine zweite Auto­bahn/Schnellstraße Wien-Klagenfurt (S36/37) parallel zur Koralmbahn, der damit Nut­zungspotenzial vorsätzlich entzogen würde, werden politisch betrieben.

Immer noch dominieren in Österreich somit die Wünsche der Bau- und Finanzierungs­branche, die an möglichst vielen, großen und teuren Projekten interessiert sind, für die möglichst viele mit Haftung der Steuerzahler abgesicherte Schulden zu machen und dann jahrzehntelang möglichst viele Zinsen zu kassieren sind.

 


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