Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 7. Juli 2010 / Seite 52

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feiern haben. Im Bereich Familienpolitik hat die ÖVP sicher nichts zu feiern! (Abg. Gril­litsch: Das wissen Sie!) – Ja, das weiß ich!

Auch wenn sich die ÖVP gerne als die Familienpartei darstellt: Wir alle wissen, dass Sie von der ÖVP – und das haben ja Rednerinnen der ÖVP auch gerade eindeutig be­wiesen –, nur bestimmte Familien meinen, wenn Sie von familienfreundlicher Politik in Österreich sprechen. Sie meinen die gut, die besser verdienenden Familien, Sie mei­nen die inländischen Familien – Sie meinen aber nicht die AlleinerzieherInnen, auch wenn Kollegin Steibl das hier behauptet, Sie meinen nicht die Patchwork-Familien, und Sie meinen schon gar nicht die Familien, die aus anderen Ländern hierher gereist sind, oder Familien, in denen eben nicht alles nach dem klassischen ÖVP-Bild geschieht, sondern wo gleichgeschlechtliche Partner, Lesben, Schwule mit Kindern zusammenle­ben. (Abg. Weinzinger: Ja, sag einmal, ...!) Diese Familien sind von Ihrer Politik nicht umfasst. (Beifall bei den Grünen.)

Spannend, ja fast amüsant – wenn es nicht so ernst wäre – ist auch, zuzusehen, wie sich da SPÖ und ÖVP gegenseitig Vorhaltungen machen, was denn im Bereich der Kinderbetreuung in den jeweiligen Bundesländern, die von diesen Parteien dominiert werden, schiefläuft beziehungsweise nicht gut gelaufen ist. (Abg. Mag. Donnerbauer: Bei einer ÖVP-Regierung läuft gar nichts schief! In Wien läuft einiges schief!)

Tatsache ist: Ja, in Österreich wird viel für Familien ausgegeben. Tatsache ist aber auch, dass das meiste von diesen Budgetposten in Transferleistungen fließt, das heißt in Geldleistungen, die direkt an die Familien fließen. Und Tatsache ist auch, dass wir einen hohen Nachholbedarf bei Infrastruktur haben, sprich bei der Schaffung von Kin­derbetreuungsplätzen. Da kann man hier behaupten, was man will: Wir haben ein ekla­tantes Problem im Bereich der Kinderbetreuung.

Österreich hat sich dem Barcelona-Ziel verpflichtet. Österreich hat sich verpflichtet, 2010 33 Prozent der unter Dreijährigen und 90 Prozent der Drei- bis Fünfjährigen in Kinderbetreuungsplätzen unterzubringen. Die Realität sieht aber anders aus: Bei den unter Dreijährigen hat Österreich 15,8 Prozent geschafft, also nicht einmal die Hälfte dessen, wozu es sich verpflichtet hat, und bei den Drei- bis Fünfjährigen 88,5 Prozent, also auch noch nicht die 90 Prozent, zu denen es sich verpflichtet hat. Und dann sagt eine Staatssekretärin in mehreren Interviews und öffentlichen Aussagen, aber auch in parlamentarischen Anfragen: Nicht alles ist gut, aber ich sehe es trotzdem nicht als meine Pflicht an, hier weiter in den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen zu in­vestieren. – Und das in einem Österreich, das sich verpflichtet hat, die Quote von 33 Prozent zu erfüllen, und es noch nicht einmal geschafft hat, 50 Prozent dieser nied­rigen Quote einzuhalten!

Da geht es nicht darum, dass Kinder in Kindergärten „geparkt“ werden, sondern da geht es darum, dass Kindergärten die erste Bildungseinrichtung sind, da geht es um die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Sie in vielen Reden hier immer wieder propagieren, wo aber die Taten nicht folgen, und da geht es ganz entschieden – das hat Kollegin Glawischnig schon gesagt – um Armutsbekämpfung. Wir wissen, dass nur jene Familien, wo beide Elternteile einer Beschäftigung nachgehen können – und das können sie nun einmal nur, wenn es eine entsprechende Betreuungseinrichtung für ihre Kinder gibt –, wirklich die Chance haben, nicht in die Armutsfalle zu tappen.
Wir wissen, dass Familien, wo nur ein Elternteil arbeiten geht, ein erhöhtes Armutsrisi­ko haben.

Es geht aber nicht nur um die Familien, deren Kinder in diese Kinderbetreuungseinrich­tungen gehen sollen, es geht auch um die Familien jener Personen, die in diesen Kinderbetreuungseinrichtungen arbeiten. Wir haben es da überwiegend mit Frauen zu tun, die unter unmöglichen Bedingungen arbeiten, zu geringen Löhnen – teilweise zu Löhnen, die unter der Existenzsicherung sind –, die aufgrund der Arbeitsbelastung von


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