Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll73. Sitzung / Seite 72

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Bis jetzt hat man von Regierungsseite gehört, aus dem EURATOM-Vertrag könnten wir nicht ausscheiden, weil eine Kündigung nicht möglich sei. – Begründung: Es gibt ein Gutachten des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes, in dem festgestellt wurde, dass man nach dem Lissabon-Vertrag aus diesem Vertrag nicht austreten oder ihn nicht kündigen könnte.

Auf der anderen Seite gibt es vier Gutachten renommierter österreichischer Verfas­sungsrechtler, die sagen, selbstverständlich könne man diesen Vertrag kündigen oder aus dem EURATOM-Vertrag austreten – ganz einfach gesagt, weil es ein Dauerschuldverhältnis ist. Im Vertrag selbst gibt es keinen Kündigungsausschluss oder keine Abhängigmachung der Kündigung von anderen, dritten Personen, deshalb kann man ihn – wie jeden Vertrag – kündigen.

Warum sollte man ihn kündigen, und warum muss man ihn unserer Ansicht nach kündigen? – Weil wir hier einen unlösbaren inneren Widerspruch haben zwischen unserer Verfassungslage – unserem Verzicht auf die Nutzung der Kernenergie, das ist ein verfassungsrechtlich gesicherter Grundsatz unserer Rechtsordnung – und der Mitgliedschaft im EURATOM-Vertrag.

Man muss sich die Mühe machen, einmal in den EURATOM-Vertrag hineinzuschauen, auch wenn das ein langes und sperriges Dokument ist, und wenigstens einmal die Präambel oder Artikel 1 lesen.

In dieser Präambel steht, dass damals, in den fünfziger Jahren, als der EURATOM-Vertrag abgeschlossen wurde, diverse Majestäten – der König der Belgier, die Großherzogin von Luxemburg – und so weiter den Vertrag aufgesetzt haben „IN DEM BEWUSSTSEIN, daß die Kernenergie eine unentbehrliche Hilfsquelle für die Ent­wicklung und Belebung der Wirtschaft und für den friedlichen Fortschritt darstellt“ und „ENTSCHLOSSEN, die Voraussetzungen für die Entwicklung einer mächtigen Kern­industrie zu schaffen, welche die Energieerzeugung erweitert, die Technik modernisiert und auf zahlreichen anderen Gebieten zum Wohlstand ihrer Völker beiträgt“. – Das ist einmal die Präambel dazu.

Artikel 1, der noch einmal zusammenfasst, was diese EURATOM-Gemeinschaft tun soll, sagt: Aufgabe der Gemeinschaft ist es, „durch die Schaffung der für die schnelle Bildung und Entwicklung von Kernindustrien erforderlichen Voraussetzungen zur Hebung der Lebenshaltung in den Mitgliedstaaten und zur Entwicklung der Bezie­hungen mit den anderen Ländern beizutragen“. – So geht es weiter in dem Text über Hunderte Seiten.

Ich hätte jetzt in der Folge gerne eine Erklärung, warum die Mitgliedschaft in einer solchen Organisation für uns angesichts der vorher zitierten Prinzipien der österreichi­schen Rechtsordnung vertretbar und sinnvoll ist. Die Frage, ob irgendjemand eine Kündigung oder einen Austritt beeinspruchen oder vielleicht sogar beim Europäischen Gerichtshof anfechten wird, ist etwas anderes. Die Frage, die wir zu beantworten haben, ist: Wollen wir da drinnen bleiben, oder wollen wir nicht da drinnen bleiben? – Wenn wir nicht da drinnen bleiben wollen, dann müssen wir den Vertrag kündigen. Wenn man uns zwingt, drinnen zu bleiben, na, dann werden wir sehen, was wir weiter machen, schlimmstenfalls bleiben wir drinnen, aber wir als Volksvertreter müssen hier zumindest die Initiative setzen: Das ist unvereinbar mit unserer Rechtsordnung, daher kündigen wir.

Es kann auch nicht davon abhängen, ob wir, wenn wir kündigen, dann wirklich Geld zurückbekommen und unseren Beitrag vermindern können. Das gebe ich schon zu: Es gibt keinen eigenen EURATOM-Beitrag, diesen kann man also nicht herausschneiden und sagen, da sparen wir uns dann 6,7 Millionen €, aber wir müssen trotzdem aus dieser Organisation heraus. Allein die Beschickung des EURATOM, die Teilnahme an


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