Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 49

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Gemäß Art. 51 Abs. 3 B-VG hat die Bundesregierung dem Nationalrat den Entwurf eines Bundesfinanzgesetzes für das folgende Finanzjahr spätestens zehn Wochen vor Be­ginn des Finanzjahres vorzulegen. Ungeachtet dessen haben der Bundeskanzler und der Bundesminister für Finanzen der Präsidentin des Nationalrates mit Schreiben vom 29. Juni 2010 mitgeteilt, dass "wir den in Art. 51 Abs. 3 B-VG vorgesehenen Termin zur Vorlage des Entwurfes eines Bundesfinanzgesetzes 2011 nicht einhalten werden kön­nen".

Begründet wird dieses Schreiben im Wesentlichen mit der aktuellen wirtschaftlichen und fiskalpolitischen Situation, die es erfordere, dass jedes einzelne Fachressort seine derzei­tige Ausgabenstruktur grundsätzlich überdenkt. Dazu seien komplexe und umfangrei­che Vorarbeiten erforderlich. Die Vorlage eines Budgetentwurfes für 2011 samt Budget­begleitgesetz wird letztlich für den Dezember 2010 in Aussicht gestellt.

Unabhängige Verfassungsexperten beurteilen diese Vorgehensweise als klar verfas­sungswidrig. Theo Öhlinger spricht von einer Missachtung des Parlaments. Auch der Verweis der Regierung auf Art. 51a B-VG wird von ihm als "nicht rechtens" qualifiziert. Bernd-Christian Funk weist darauf hin, dass "eine Vorlage im Dezember nicht den Ord­nungsvorschriften der Verfassung entspricht" und Heinz Mayer unterstreicht, dass die Verpflichtung der Regierung, den Entwurf für das Bundesfinanzgesetz zehn Wochen vor Beginn des betroffenen Finanzjahres vorzulegen, "klar und deutlich" ist.

Auch der Präsident des VfGH Gerhart Holzinger stellte klar, dass die rechtliche Rege­lung des Art. 51 Abs. 3 "völlig klar und eindeutig" ist. Gleichzeitig konzedierte die Na­tionalratspräsidentin, "dass die verzögerte Budgetvorlage gemäß einem Gutachten des Legislativdienstes einer Nicht-Einhaltung der Verfassung entspreche: Das steht außer Streit".

Vor diesem Hintergrund hat schließlich Bundespräsident Fischer die Bundesregierung aufgefordert, das Budget 2011 pünktlich vorzulegen: "Bei dieser Bestimmung handelt es sich um keine Ermessensentscheidung."

Aus aktuellem Anlass stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Finanzen folgende

Anfrage:

1. Welche Gründe sind für Ihre Ankündigung, die Bundesverfassung durch eine ver­spätete Vorlage des Budgetentwurfs für 2011 brechen zu wollen, maßgeblich?

2. Sehen Sie sich als Bundesminister in einer Position, die über der Verfassung steht?

3. Wurden Sie als Bundesminister auf die Verfassung angelobt?

4. Wie erklären Sie sich, dass die große Mehrheit der Steuerzahler die Ansicht vertritt, dass der eigentliche Grund für den Verfassungsbruch parteipolitisches Kalkül aufgrund der Wahlkämpfe in der Steiermark und in Wien ist?

5. Behaupten Sie weiterhin, dass es bisher keine konkreten Vorschläge aus den Minis­terien zur Sanierung des Bundesbudgets gibt, die Sie vorlegen können?

6. Warum weigern Sie sich, die Bürger über die von der Bundesregierung in Aussicht ge­nommenen Belastungen zu einem verfassungskonformen Zeitpunkt zu informieren?

7. Welcher Schaden wird durch die Nichteinhaltung der verfassungsrechtlich vorgege­benen Fristen für die österreichische Wirtschaft, die Konsumenten und den Steuerzah­ler entstehen, zumal sich an die Verschiebung der Vorlage des Budgetentwurfes zahl­reiche negative Auswirkungen im Rahmen einer Kettenreaktion knüpfen?

 


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