Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 114

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Zweitens: Der Fall Natascha Kampusch

Der Fall Kampusch ist ein erschreckendes Beispiel des offensichtlich vorsätzlichen Versagens staatsanwaltlicher Verantwortungsträger bei der Staatsanwaltschaft Wien sowie der Verantwortungsträger im Innenministerium und im Justizministerium. So wurden unzählige Hinweise, insbesondere der ermittelnden Polizeibeamten zu tat­sächlichen Widersprüchen hinsichtlich der Mehrtätertheorie bzw. der Stellung des Geschäftsfreundes von Priklopil ignoriert und zum Teil weitergehende Ermittlungen sogar aktiv unterbunden oder beeinflusst. Ohne im Detail auf das 25-seitige Schreiben des früheren Präsidenten des Obersten Gerichtshofes und ehemaligen Mitgliedes der Kampusch-Evaluierungskommission, Dr. Johann Rzeszut, betreffend „Art. 52 B-VG – Sachverhaltsmitteilung zum staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren im Abhängigkeits­fall Natascha Kampusch“ eingehen zu wollen, ist an dieser Stelle zu vermerken, dass die Frau Bundesministerin für Justiz Bandion-Ortner frühzeitig im Juni/Juli 2009 von Dr. Johann Rzeszut über die von auffälliger Ignoranz gekennzeichnete staatsan­waltliche Fallbehandlung informiert wurde. Bereits am 24. Juli 2009 übermittelte er ein Schreiben an die Justizministerin, „in dem jene gravierenden Gründe angeführt wurden, die eine ehestmögliche, nach konkreten verfahrensaktuellen Erfahrungen im Inter­esse eines sachdienlichen Verfahrensfortgangs unabdingbare Übertragung der weiteren justiziellen Fallbearbeitung aus dem Verantwortungsbereich der Oberstaats­anwalt Wien an eine andere, ihrem Einfluss nicht unterliegende staatsanwaltliche Ermittlungsverantwortung dringend nahe legten.“ Eine Vorausinformation sei zudem dem Kabinettschef Georg Krakow per Mail zugegangen. Jedoch: Nichts geschah. Es erhärtet sich damit der auf Basis bereits vorliegender Informationen bestehende Verdacht, dass im Fall Kampusch verdeckt und vertuscht wurde und offene Fragen wie die mögliche Involvierung eines Pädophilenringes unbeantwortet blieben. Dieser Sach­verhalt ist in Hinblick auf Rzeszuts Schlussbemerkung besonders überprüfungswürdig, die lautet: „Was hier jedoch aus dominierendem öffentlichen Interesse aufgezeigt wer­den musste, ist die fachlich nicht nachvollziehbare Pflichtverweigerung führender staatsanwaltlicher Verantwortungsträger und das Scheitern des Versuchs, die nach Lage des Falles gebotene Abhilfe an insoweit oberster Verantwortungsebene zu erwirken.“ Das völlig unbefriedigende Ermittlungs- und Verfahrensergebnis erschreckt insbesondere auch in Anbetracht der Vielzahl führender staatsanwaltlicher Vertreter, die in der Endphase des Verfahrens maßgeblich beteiligt waren. So nahmen an einer ermittlungsstrategischen Besprechung im Bundesministerium für Inneres am 30. April 2008 als führende Vertreter der Oberstaatsanwaltschaft Wien deren Leiter Dr. Werner Pleischl und einer seiner Vertreter, für die Staatsanwaltschaft Wien deren Leiter Dr. Otto Schneider und der den konkreten Fall bearbeitende Staatsanwalt Mag. Hans-Peter Kronawetter teil.

Drittens: Der Fall Hypo Niederösterreich

In die politische Verantwortung der Ministerin Bandion-Ortner fällt die am 7. Juli 2010 seitens der St. Pöltner Staatsanwaltschaft mündlich erteilte Weisung an die ermitteln­den Kriminalbeamten, wonach ihre Arbeit in der Causa Hypo Niederösterreich, wo es um den Verdacht der Untreue, Bilanzfälschung und der Verspekulierung von über 1,2 Milliar­den Euro Wohnbaugeldern geht, „sofort und bis auf Widerruf“ zu stoppen sei. Und das, obwohl sie „noch weit entfernt von einem Abschluss“ ihrer Arbeit waren, wie der zuständige niederösterreichische Kriminalbeamte damals erklärte. Im Justiz­ministerium liegt nunmehr ein Vorhabensbericht der Staatsanwaltschaft St. Pölten auf Einstellung des Verfahrens. Erst nach umfangreicher kritischer Medienberichterstat­tung sollen die Ermittlungen nun doch wieder aufgenommen werden. Diese Vorge-


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