Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll83. Sitzung / Seite 97

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Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär Ostermayer, Sie sitzen hier zu Unrecht. In Wirklichkeit müssten hier Finanzminister und Vizekanzler Pröll, Staatssekretär Lopatka und Ihr eigener Staatssekretär Schieder sitzen, denn sie – und der Herr Bundeskanzler – tragen dafür die Hauptverantwortung.

Eine Bundesregierung, die sich dermaßen offenkundig und kaltschnäuzig über Frist­bestimmungen hinwegsetzt – die nicht disponibel sind; kein Verfassungsjurist dieser Republik hat Ihnen gesagt, dass diese Frist disponibel ist! –, kann vom Bürger nicht mehr verlangen, dass er in Zukunft fristgerecht die Steuererklärungen abliefert, meine Damen und Herren! – So schauen die Dinge aus. Das ist zynischer Umgang mit der Bundesverfassung.

Sie wissen ganz genau, Herr Kollege Kopf – wenn nicht, erkläre ich es Ihnen –: Die Bundesregierung ist oberstes Verwaltungsorgan. Die Bundesregierung legt dem Haus einen Budgetentwurf vor. Das ist ein Verwaltungsakt eines obersten Verwaltungs­organs. Als Verwaltungsorgan bei der Ausübung hoheitlicher Tätigkeit unterliegt die Bundesregierung voll dem Legalitätsprinzip des Art. 18 B-VG. Das heißt, aufgrund der Gesetze ist sie tätig. Nicht an den Rahmen des Gesetzes muss sie sich halten, so wie in der Privatautonomie jeder Bürger, sondern aufgrund des Gesetzes hat sie tätig zu werden.

Und genau darüber setzen Sie sich hinweg, meine Damen und Herren! Deswegen ist die Ministeranklage gerechtfertigt: weil Sie den Legalitätsgrundsatz des Art. 18 B-VG mit Füßen treten und damit die gesamte Bundesverfassung ihrer Legitimität berauben. (Präsident Dr. Graf übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herrn! Hohes Haus! Ich habe einen Geschmacksfehler in diesem Antrag darin gesehen, dass man gleich einen Parteianwalt zur Anklagevertretung vor­sieht. Trotzdem werden wir diesem Antrag zustimmen, und zwar deshalb, um Ihnen klar­zu­machen, dass wir Ihren Verfassungsmissbrauch, Ihre Missachtung der Bundes­verfassung, Ihr Mit-Füßen-Treten des Legalitätsprinzips nicht kommentarlos zur Kenntnis nehmen. (Beifall beim BZÖ.)

Der Herr Bundespräsident war in Wirklichkeit hilflos. Er konnte hilflos zuschauen, wie die Bundesregierung seines eigenen Parteigenossen Faymann und des Vizekanzlers Pröll, die er selbst angelobt und ernannt hat, die Verfassung missachtet. Der Herr Bundespräsident, selbst Verfassungsjurist, hat so etwas nicht goutiert – namhafte Verfassungsjuristen dieser Republik bis hin zu den Höchstrichtern im Übrigen auch nicht. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Alle!) Alle, ja, pardon – bis auf den Verfas­sungsdienst im Bundeskanzleramt, der ein Gefälligkeitsgutachten gemacht hat. Leider! Leider, muss ich dazusagen.

Das muss man sich merken im Hinblick auf allfällige Bewerbungen in Zukunft beim Verfassungsgerichtshof, dass das Liebedienerei gegenüber der Macht ist. Aber alle anderen Verfassungsjuristen haben klipp und klar gesagt, dass das ein klarer Gesetzesverstoß ist, und der Artikel 142 Abs. 2 unserer Bundesverfassung sieht für den nackten Gesetzesverstoß eben die Möglichkeit einer Ministeranklage vor.

Und hören Sie auf mit diesem Märchen, es sei sanktionslos! Sanktion Numero eins wäre: Das Hohe Haus beschließt mit Mehrheit einen Misstrauensantrag. Sanktion Numero zwei: Das Hohe Haus beschließt eine Ministeranklage – und darüber reden wir jetzt. Sanktion Numero drei ist, dass das Hohe Haus selbst einen Budgetentwurf im Parlament vorlegen muss, weil es die Regierung nicht zusammenbringt, meine Damen und Herren. Nicht die Regierungsfraktionen, Sie bringen es nicht zustande, weil Sie es nicht zusammenbringen wollten, weil Sie – ich sage, ziemlich banale – politische Kalkulationen dahinter hatten und geglaubt haben, die Menschen seien so dumm, dass sie trotzdem die beiden Regierungsparteien, namentlich in der Steiermark die Roten


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