Schuldhaftigkeit verlangt die Bestimmung nicht. Die Bestimmung lautet wörtlich: „Die Anklage kann erhoben werden: ... b) gegen die Mitglieder der Bundesregierung und die ihnen hinsichtlich der Verantwortlichkeit gleichgestellten Organe wegen Gesetzesverletzung: durch Beschluss des Nationalrates ...“.
Das heißt, es ist keine Schuldhaftigkeit erforderlich. Die Schuldhaftigkeit kann der Verfassungsgerichtshof allenfalls feststellen, und in diesem Falle würde er es wahrscheinlich sogar tun. (Beifall beim BZÖ.)
13.16
Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Steinhauser. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.
13.16
Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Jeden, dem die Verfassung am Herzen liegt, muss es schmerzen, wenn wir heute über Verfassungsbruch diskutieren und bei der Bevölkerung der Eindruck entsteht, dass man es mit der Verfassung nicht so genau nimmt. Das ist nicht meine Qualifizierung, sondern das ist die Qualifizierung des Herrn Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes Holzinger.
Auch der Legislativdienst dieses Hauses hat in einem Gutachten klar festgestellt, dass die verspätete Vorlage nicht der Verfassung entspricht. Die Liste der prominenten Verfassungsrechtler, die die Verfassungsmäßigkeit der Vorgangsweise der Bundesregierung in Frage stellen, ist lang. Es fehlen bloß zwei ausgewiesene Verfassungsrechtler, die der Bundesregierung Recht geben, das ist einerseits der ausgewiesene Verfassungsexperte Cap und auf der anderen Seite der ausgewiesene Verfassungsexperte Kopf. Sonst sind alle Verfassungsrechtler dieser Republik einer Meinung, dass die verspätete Budgetvorlage nicht verfassungskonform ist. (Beifall bei den Grünen.)
Sanktionsmöglichkeiten gibt es genug, es gibt nur ein Problem: Die Fraktionen dieses Hauses, nämlich die Regierungsfraktionen, machen der Bundesregierung und ihren MinisterInnen die Räuberleiter.
Sanktion Nummer eins wäre gewesen, dass die Parlamentsfraktionen protestieren und eine solche Vorgangsweise nicht tolerieren. Das ist nicht passiert.
Vorgangsweise Nummer zwei wären Misstrauensanträge gewesen. Ist passiert. Stichwort: Räuberleiter von Rot und Schwarz.
Der dritte und logische Punkt ist die Ministeranklage, und das zeigt auch – das hat Kollege Stadler schon ausgeführt –, dass diese Verfassungsnorm nicht sanktionslos ist, weil die Ministeranklage genau die Reaktion darauf ist, wenn Verfassungsbestimmungen nicht eingehalten werden. Insofern ist es logisch, dass wir heute an diesem Punkt über eine Ministeranklage diskutieren, weil das die logische Konsequenz ist. Und wenn sich die zwei Verfassungsexperten Kopf und Cap ihrer Verfassungsmeinung so sicher sind, na, dann stimmen Sie dem zu, dann soll der Verfassungsgerichtshof diese Frage klären!
Interessant ist, dass der Verfassungsrechtler Öhlinger – nicht unser Öllinger, sondern Professor Öhlinger – schon 1996 in einem Artikel zur Frage der verspäteten Vorlage eines Budgetentwurfs Stellung genommen hat. Er kommt zu dem Ergebnis, dass eine Regierung, die den Budgetentwurf nicht fristgerecht zustande bringt, zurücktreten muss. Er sagt, alles andere wäre ein erschreckender Verlust an politischer Kultur, und darüber hinaus noch mehr, es würde die Verbindlichkeit der Verfassung in Frage gestellt werden. So wurde 1996 von Öhlinger das Verhalten der Bundesregierung im Jahr 2010 qualifiziert. Würde weder, heißt es dann weiter, die Bundesregierung noch
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