Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll85. Sitzung / Seite 61

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Ja, wir werden es in Zukunft mit der Türkei mit einem zunehmend anspruchsvollen und selbstbewussten Partner zu tun haben. Das vielleicht gerade deshalb, weil in den Ver­handlungen zwischen Europäischer Union und Türkei seit geraumer Zeit in Wirklichkeit Flaute herrscht. Es hat ein einziges Kapitel gegeben, nämlich Wissenschaft und For­schung, das – übrigens während des österreichischen EU-Vorsitzes – im Mai 2006 ab­geschlossen werden konnte, seither wurde kein weiteres Kapitel abgeschlossen.

Über die Mängel, die im jüngsten Fortschrittsbericht der Europäischen Union zur Türkei aufgezeigt worden sind, ist hinlänglich berichtet worden. Ich möchte noch ein Element hinzufügen, das in diesem Fortschrittsbericht ebenfalls beanstandet wird, nämlich die Gleichberechtigung der Frauen, die in der Türkei eine zentrale Herausforderung im All­tag bleibt, die Ehrenmorde, die arrangierten Ehen und Zwangsheiraten sowie die häus­liche Gewalt, die laut Kommissionsbericht ernste Probleme bleiben.

Ich möchte aber schon auch zurückweisen, dass sich Österreich beim Thema Türkei nie durchsetzt, auch auf europäischer Ebene. Es hat kein Land mehr erreicht als Öster­reich, etwa in der Formulierung des Verhandlungsmandats. Hier haben wir Maßstäbe ge­setzt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Thema Aufnahmefähigkeit – ich erspare Ihnen jetzt die Lektüre der entsprechenden Tex­te, die wir damals gegen erbitterten Widerstand all unserer Partner im Jahr 2005 durch­gesetzt haben. Wir haben uns österreichischerseits sehr gut und sehr weitblickend po­sitioniert, nämlich im Regierungsprogramm, wo – um das auch klarzustellen – von pri­vilegierter Partnerschaft nicht die Rede ist. Ich lese diesen Text gerne vor, denn er zeigt, dass wir auf einer Grundlage stehen, die zu ändern nicht notwendig ist und die zu än­dern auch unklug wäre. Ich zitiere aus dem Regierungsprogramm:

„Ein gezieltes und zugleich behutsames Heranführen der Türkei und ihrer Bevölkerung an europäische Werte und Standards ist im Interesse aller Mitgliedstaaten der Europäi­schen Union. Österreich hat durchgesetzt, dass die Aufnahmefähigkeit der Union ein Kriterium darstellt und dass die Verhandlungen mit der Türkei einen offenen Ausgang haben. Wir setzen uns für ein schrittweises Vorgehen zunächst mit dem Ziel einer maß­geschneiderten türkisch-europäischen Gemeinschaft ein. Die österreichischen Bürger werden bei Vorliegen eines Verhandlungsergebnisses mit Beitrittsziel für die Türkei in einer Volksabstimmung das letzte Wort haben.“

So macht man das, meine Damen und Herren! Es gibt keinen Grund, die Verhandlun­gen infrage zu stellen oder gar den Abbruch zu fordern, denn Integrationsdefizite sind nicht heilbar durch den Abbruch der Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und der Türkei. (Beifall bei der ÖVP.) Was wir brauchen, sind Festigkeit in der Sache und gute Nerven. Populistische Panikattacken helfen hier überhaupt nicht. (Abg. Neu­bauer: Und wenn Sie gerade eine haben?)

In Hinblick auf die innenpolitische Diskussion möchte ich schon auch anmerken: Ja, es gibt erhebliche Defizite bei der Integration auch türkischstämmiger Österreicher, und zwar von der Gemeindeebene bis zur Bundesebene. Es gibt allerdings auch – und das muss man auch sagen – Integrationsverweigerer. (Abg. Mag. Stadler: Geh wirklich? Da schau her! Kennen Sie wen?) Wir brauchen in diesem Zusammenhang Mut, und wir brauchen Fingerspitzengefühl – sowohl die Politik als auch die Bürger.

Lassen Sie uns mit den Kindern beginnen! – Ich komme an dieser Stelle auf den türki­schen Botschafter, genauer gesagt auf seinen Vorgänger, nämlich Botschafter Selim Yenel, zu sprechen, der in bemerkenswerter Weise sehr konstruktive Beiträge geleistet hat. Er hat für Volksschulkinder und für Kindergartenkinder eigenes Lernmaterial in tür­kischer und deutscher Sprache entwickelt und hat das in Österreich und in der Türkei auch zur Verbreitung gebracht. – So macht man das, und nicht anders, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Strache: Was macht unsere Unterrichtsministerin?)

 


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