Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll85. Sitzung / Seite 123

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Ziemlich exakt vor einem Jahr begannen die ersten massiven Proteste seitens der Stu­dierenden. Es kam zu Besetzungen von Hörsälen an den Universitäten. Auslöser und Grund für diese Proteste war nicht das Wegstreichen von gewissen Sozialleistungen oder bestimmte Maßnahmen, sondern dass das gesamte Uni-System Schmerzgrenzen überschritten hatte: Raumnot, Sanierungsbedarf, Frust über langes Anstehen, über pre­käre Arbeitsverhältnisse, Drop-out-Raten, Burnout. – Das gesamte System ist also an seiner Schmerzgrenze angelangt.

Wochenlang, fast monatelang gab es Proteste in Österreich. Die Reaktion auf diesen Hilfeschrei, auf dieses Hilfegesuch und auf die Suche nach Antworten in der Politik war bemerkenswert. Der zuständige Minister Hahn hat sich zuerst mit Aussitzen begnügt. Er wurde daraufhin nach Brüssel geschickt – ich habe von ihm seither nicht mehr viel gehört –, und an den Universitäten wurde im Grunde ein Scherbenhaufen hinterlas­sen – ein echter Scherbenhaufen!

Die großen Antworten, die die Studierenden damals eingefordert haben, nämlich dass man endlich Lösungen für die chronische Unterfinanzierung, für die inakzeptablen Stu­dienbedingungen, für die Probleme, die es mittlerweile seit über einem Jahrzehnt gibt, findet, die Antworten auf diese Fragen sind Sie bis zum heutigen Tag als Finanzminis­ter und als Vizekanzler schuldig geblieben. (Beifall bei den Grünen.)

Wir verlangen von einer Generation, dass sie innerhalb kürzester Zeit studiert, dass die­se Generation in 10, 15 Jahren an den wissenschaftlichen, an den politischen, an den wirtschaftlichen Hebeln der Gesellschaft sitzen wird und mit Weitblick und Reflexions­fähigkeit neue Spielregeln für unser Wirtschaftssystem, das im Moment viele Fehler hat, entwickeln wird. Wir verlangen von dieser Generation, dass sie das in einer affenartigen Geschwindigkeit schafft, legen ihr aber nicht nur Ketten an, sondern auch Eisenkugeln an die Füße.

Diese Generation, die die letzten zehn Jahre und die nächsten Jahre an den österrei­chischen Universitäten Bildung und Ausbildung sucht, ist mittlerweile zu einer „Genera­tion Krise“ geworden – und dafür trägt die ÖVP ganz maßgeblich Verantwortung! (Bei­fall bei den Grünen.)

Sie haben mehrere Versprechen gegeben, nicht nur hier im Parlament, auch in der Re­gierungserklärung, im Regierungsprogramm, immer wieder, einstimmig, mehrstimmig. Sie haben große Versprechen gegeben, nämlich die Situation an den Universitäten im nächsten Jahrzehnt, nämlich bis 2020, maßgeblich zu verbessern, das Uni-Budget sogar zu verdoppeln.

Und was erleben wir jetzt? – Ich glaube, man kann sich nichts Schlimmeres vorstellen als das, was tatsächlich, wie in Loipersdorf besprochen, auf die Studierenden zukommt und was von Ihnen intendiert wurde. Das ist mit absoluter Treffsicherheit eine einzige Maßnahme, nämlich sich junge Studierende zum Feindbild zu machen, sie sozial so maß­geblich zu belasten, dass nur noch Menschen aus sehr vermögenden, einkommens­starken Familien tatsächlich ein gutes Studium, ein Doktoratsstudium abschließen kön­nen. – Das ist die Intention dieses Loipersdorfer Pakets. Anders kann man es nicht in­terpretieren. (Abg. Amon: Was soll der Grund für diese Intention sein? Völlig absurd!)

Wir möchten von Ihnen heute Antworten darauf haben. Sie haben ewig lang Zeit ge­habt – über den Sommer –, bei den Strukturmaßnahmen, zum Beispiel in der Verwal­tungsreform, einen Schritt weiterzukommen, und Sie haben noch das unglaubliche Glück gehabt, dass sich die Konjunktur positiver entwickelt hat als erwartet.

Sie haben aber die großartige Chance, die sich daraus ergeben hat, im Gegensatz zu anderen Ländern wie Deutschland oder Frankreich nicht genutzt, diese zusätzlichen Steuereinnahmen eins zu eins in einen ausgehungerten, chronisch unterdotierten, chro-


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