Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll91. Sitzung / Seite 192

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führer sind, aber jedenfalls sind wir ziemlich gut. (Beifall bei der ÖVP.) – Danke. Auch ich freue mich über Applaus.

Jeden Sommer flüchten hunderte Österreicher mit der Flugambulanz aus Ländern, die gar nicht so unterentwickelt sind, wie Spanien, Portugal et cetera. Als Insider glaube ich, es ist berechtigt, dass die Leute geflüchtet sind. Das heißt, wir sind in manchen Bereichen wirklich sehr gut, und es erfüllt mich persönlich auch mit Freude, wenn ich eine Patientin habe, die seit drei Jahren lungentransplantiert ist und keinen Groschen zahlt. Auch da passt der soziale Aspekt.

Aber ich bin voll beim Abgeordneten Grünewald. Ich habe genau zugehört. Sein Bei­spiel mit den vier Jahren und den sechs Jahren stimmt: Wer einen mangelhaften Zu­gang zur Bildung hat, wer mangelhafte finanzielle Ressourcen hat, hat schlechtere Kar­ten im Gesundheitswesen – und das ist auch nicht einsichtig. Du verwendest immer das Beispiel mit den vier Jahren in Wien: Im 19. Bezirk leben die Menschen vier Jahre länger als im 20. Bezirk – nur getrennt durch die Donau. Das hat natürlich einen Grund, der nicht allein gesundheitspolitisch motiviert ist. Ärmere haben bis zu sechs Jahre we­niger Lebenserwartung.

Das heißt, wir sind zwar gut, wir sollten uns nicht krank reden – wir sind auf dem Ni­veau des österreichischen Skinationalteams, wenn wir vom Gesundheitswesen reden –, aber wir sollen auch hinschauen in einer neuen Ehrlichkeit, wo Mängel sind. Mängel gibt es – du hast es schon angeschnitten – in der Kindergesundheit, in der Kinder­psychiatrie. Es ist auch in der ländlichen Versorgung einiges zu tun. Und wir haben– was mich sehr bewegt – eine Fehlversorgung auch in Österreich.

Wir haben in den letzten 15 Jahren im OECD-Vergleich geringe Steigerungsraten. Es ist ein völliger Trugschluss, wenn immer gesagt wird, dass alles so teuer geworden ist. Österreich hatte im Schnitt eine Steigerung der Gesundheitskosten von 2,9 Prozent, der OECD-Schnitt war 3,9 Prozent. Das heißt, es ist schon viel passiert. Man soll nicht immer so reden, als müsse man jetzt den ersten nationalen Dialog erfinden. Wir haben zu viele Spitalsaufenthalte: 2,7 Millionen. Den OECD-Schnitt umgelegt auf Österreich würden es nur 1,7 Millionen sein. Das ist ein Delta von 40 Prozent. Das heißt, in Öster­reich landen zu viele Menschen im Spital.

Es ist jetzt müßig zu fragen, warum, wieso, weshalb. Es waren mit Sicherheit nicht nur die Bürgermeister, es waren mit Sicherheit nicht nur die eitlen Primare, sondern ich glaube, dass die Krankenkasse in den letzten 20 Jahren – aus welchem Grund auch immer – zu wenig im ambulanten Sektor investiert hat. Ich könnte das jetzt lang aus­führen, aber es ist müßig.

Neue Ehrlichkeit heißt, dass wir auch die Ziele neu und besser definieren sollen. Dazu braucht man keinen Masterplan, man braucht auch nicht die zigste nationale Gesund­heitskonferenz. Man braucht auch nicht neue Eitelkeiten, sondern man muss nur lesen, was im Regierungsprogramm drinnen steht. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Da haben wir schon Punkte drinnen: Schlaganfall, Herzinfarkt, Krebs, Demenz, Diabetes, Überge­wicht, Bewegung, Ernährung und – was mir ganz wichtig zu sein scheint – Suizid.

Es ist unglaublich, dass in Österreich doppelt so viele Menschen an Selbstmord ster­ben wie im Straßenverkehr – und es rührt keinen Menschen. Ich glaube, das sollte uns schon bewegen in einem Land, in dem wir behaupten, sehr gut zu sein. Wenn Sie einen Angehörigen haben, der sich selbst umgebracht hat oder nahe daran war, dann wissen Sie, das reißt ganze Familien auseinander, erzeugt langfristige Schicksale. Das sollte uns nicht kaltlassen, und nicht kaltlassen heißt, das in der Gesundheitspolitik zu berücksichtigen und nicht wegzuschauen.

Mein letztes Wort: In Tschechien läuft derzeit ein Viertel der Spitalsärzte davon – nach Deutschland. 2 000 österreichische Ärzte sind schon in Deutschland tätig. Deutschland


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