Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll93. Sitzung / Seite 175

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Das Problem ist, dass der Kopf beziehungsweise dass man oben nicht weiß, was zu tun ist, nämlich, dass die Sicherheitsdoktrin fehlt, dass die Strategie fehlt, dass die Ausrichtung fehlt. Es gibt einen alten Grundsatz, der besagt: „Structure follows Strategy“, also zunächst die Strategie und dann die Struktur, aber Sie, Herr Minister – bitte, seien Sie mir nicht böse! –, machen es genau umgekehrt! Sie filetieren das Bundesheer wie ein schlechter Arzt, nämlich: Sie schneiden einmal hinein und schauen dann, was übrigbleibt – und hintennach kommt dann vielleicht die Strategie. Sie verkaufen Teile der Fliegerabwehr, der Artillerie, die Panzer, die Kasernen, aber ob wir sie dann letztendlich brauchen, das steht noch in den Sternen.

Die Frage der Wehrpflicht an sich – Kollege Scheibner hat das sehr gut ausgeführt – ist ein Federstrich. Wenn man sie aussetzt, kann man sie auch rasch wieder einführen, wenn Bedarf gegeben ist. Sie ist also keine Grundsatzfrage der Zielerreichung. Die Frage der Wehrpflicht ist eine Frage der operativen Umsetzung. Daher treten wir vom BZÖ für ein starkes professionelles Berufsheer mit einer Freiwilligenmiliz ein. Ich freue mich, dass die SPÖ das in Grundsätzen übernommen hat, wahlkampfbedingt natürlich.

Eines gebe ich noch zu bedenken: dass in ganz Europa die Wehrpflicht ausgesetzt beziehungsweise abgeschafft wird – vorwiegend ausgesetzt –, in Belgien, in den Niederlanden, in Polen, in Frankreich, in Spanien, in Slowenien, in Tschechien, in Ungarn, in Italien und zuletzt auch in Deutschland. – Dazu gebe ich eine Denk­sportaufgabe.

Nahezu alle Länder rund um Österreich haben die Wehrpflicht bereits ausgesetzt, nur Österreich beharrt weiterhin auf diesem alten Modell, das unserer Meinung nach nicht mehr zeitgemäß ist. Namhafte Experten – also nicht nur das BZÖ –, und zwar im Wirtschaftsforschungsinstitut, im Staatsschuldenausschuss oder auch im Rechnungs­hof, verlangen entsprechende Reformmaßnahmen, um das Bundesheer abzu­schlan­ken – und da gehen auch viele in Richtung Freiwilligenheer, starkes Berufsheer.

Und nun im Zusammenhang mit dem Bundesheer zur Jugend, der man zumindest ein halbes Jahr Zeit wegnimmt. Ich war auch heuer wieder bei einigen Militärempfängen, und da konnte man aus dem Mund hochrangiger Offiziere, auch von Militärkom­mandanten, Folgendes hören: Wie soll ich einem Grundwehrdiener erklären, dass er draußen auf der Straße Löcher stopfen muss?! Oder: Was hat das mit militärischen Aufgaben zu tun?!

Jetzt macht ein Grundwehrdiener sechs Monate lang Ähnliches, also keine militärischen Aufgaben mehr – und da frage ich mich schon, ob man damit der Jugend einen Dienst erweist. Meine Damen und Herren, dieser Zwangsdienst ist zu hinter­fragen, weil er letztlich sozusagen eine Naturalsteuer an den Staat darstellt, was unge­recht ist und in Bezug auf die Wirtschaft einen Steuerausfall von rund 300 Millionen € verursacht. Dazu kommt: Gesamtkosten des Bundesheeres rund 2 Milliarden €; rund 40 Prozent davon entfallen auf den Grundwehrdienst. Die schnellen Rechner hier werden wissen: Das sind 800 Millionen €. In Summe würden also rund 1,1 Milliarden € frei werden, wenn man die Wehrpflicht zumindest aussetzen würde.

Was die ÖVP anlangt, muss ich sagen, ich glaube, dass es da eine gewisse Trotz­reaktion bei der ÖVP gibt, weil die SPÖ mit diesem Thema wahltaktisch vorgeprescht ist. Ein eigenes Konzept dazu hat die ÖVP nicht, daher bleibt sie bei der Wehrpflicht, so nach dem Motto: Die Wehrpflicht hat sich in den letzten 50 Jahren bewährt, und daher soll es dabei bleiben! – So kann es aber nicht bleiben, meine Damen und Herren!

Liebe FPÖ, ihr als Wirtschaftspartei, wie wollt ihr denn das den jungen Menschen erklären, dass der Wirtschaft, dem Staat 300 Millionen € an Steuern entfallen, weil die jungen Menschen zum Bundesheer zwangsverpflichtet werden?!

 


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