Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll96. Sitzung / Seite 39

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Wenn man die Diskussion, die Berichte und auch die Schlagzeilen der letzten Tage und Wochen an sich vorüberziehen lässt, könnte man oft den Eindruck gewinnen, als ob es bei diesem Thema vor allem um das Wohlbefinden von Müttern und Vätern und nicht um die Kinder ginge, als ob es bei diesem Thema vor allem um die Fortsetzung von Beziehungsproblemen der Eltern mit anderen Mitteln und darum, ihnen für ihre Aus­einandersetzung entweder neue Möglichkeiten in die Hand zu geben oder die alten Waf­fen im Kampf der Geschlechter zu sichern, ginge.

Daher nochmals mit aller Deutlichkeit, meine sehr geehrten Damen und Herren: Darum kann und darf es bei diesem Thema nicht gehen! Nein, es sollte und muss uns darum gehen, das Wohl der Kinder im Auge zu haben, das Wohl der Schwächsten unserer Ge­sellschaft und die Zukunft unseres Landes. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn man die Diskussion der letzten Wochen und Monate Revue passieren lässt, so sieht man, dass sich alle Experten vor allem in einem Punkt einig sind, nämlich dass zur bestmöglichen Sicherung des Kindeswohls und zu einer gedeihlichen Entwicklung der Kinder grundsätzlich ein funktionierender, ein ständiger und aufrechter Kontakt zu Mutter und Vater/zu Vater und Mutter gehört, und zwar unabhängig davon, ob die bei­den Elternteile sich gut verstehen, weniger gut oder überhaupt nichts mehr miteinander zu tun haben wollen.

Weil dies eben so ist – wie viele Experten auch zusichern und bestätigen –, meinen wir, dass man als Gesetzgeber von den Eltern im Regelfall erwarten darf, dass sie mit Rücksicht auf ihr Kind beziehungsweise mit Rücksicht auf ihre Kinder diesen wichtigen und auch notwendigen Kontakt zu beiden Elternteilen zulassen und nach Kräften för­dern – und das unabhängig von der Qualität ihrer Beziehung zueinander und unabhän­gig von den Problemen, die die Elternteile miteinander gehabt haben mögen oder noch immer haben.

Dass es davon auch Ausnahmen gibt, liegt auf der Hand, meine sehr verehrten Damen und Herren. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sollten sich meiner Ansicht nach aber am Regelfall und nicht an der Ausnahme orientieren. Natürlich soll und wird es auch für die Gott sei Dank relativ wenigen Fälle an Ausnahmen andere rechtliche Re­gelungen geben müssen und auch die Möglichkeit weiterhin geben, behördlich oder richterlich einzugreifen, wenn dem Wohl des Kindes und der Kinder nicht anders zum Durchbruch verholfen werden kann oder wenn Eltern und Elternteile aus verschiede­nen Gründen dieses Wohl nicht richtig erkennen oder bewusst dagegen verstoßen.

Aber auch dieser Grundsatz muss unabhängig davon gelten, ob Kinder in einer auf­rechten Beziehung ihrer Eltern oder außerhalb derselben leben oder sich diese nach einer Scheidung befinden.

In den letzten Jahren und in den letzten Monaten wurde darüber sehr viel diskutiert, es wurden viele Meinungen ausgetauscht, es wurden Expertinnen und Experten gefragt. Zuletzt haben wir am 24. Juni vorigen Jahres hier in diesem Saal bei einer großen, ganztägigen Enquete eine Vielzahl von Expertinnen und Experten aus den verschie­densten Bereichen zu Wort kommen lassen und ihre Erfahrungen gehört. Auch viele Betroffene sind hier zu Wort gekommen.

Zuletzt wurde bis gestern in einem Arbeitskreis verschiedener Ministerien unter Ein­bindung einer Vielzahl von Expertinnen und Experten ein Modell erarbeitet, das wir nun als Abschluss der jahrelangen Diskussion und im Interesse unserer Kinder rasch be­handeln sollten und verabschieden wollen. (Beifall bei der ÖVP.)

Bestandteil dieses neuen Modells sollte aus meiner Sicht jedenfalls sein, dass die ge­meinsame Obsorge beider Elternteile auch nach der Scheidung der Ehe beibehalten wird, was sich im Übrigen ja grundsätzlich bei aufrechter Ehe bewährt und sich seit dem Jahr 2001, seit es die gemeinsame Obsorge im Gesetz ja schon gibt, auch bei et­wa der Hälfte der geschiedenen Ehen bewährt hat.

 


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