Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll96. Sitzung / Seite 43

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9.24.33

Abgeordnete Gabriele Binder-Maier (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Zuallererst, Frau Bundesministerin: Es geht nicht um einen Kampf, sondern es geht um Lösungen für die betroffenen Menschen in einer schwierigen Situation. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Meine beiden Vorredner haben schon aufgezeigt, wie unter­schiedlich Themen wie Scheidung, Obsorge, Unterhalt, Besuchsrecht diskutiert werden und wie vielfältig, unterschiedlich, emotional und aggressiv Debatten geführt werden.

In einer parlamentarischen Enquete im vorigen Jahr – Kollege Donnerbauer hat schon darauf hingewiesen – gab es eine sehr aufschlussreiche und sehr interessante Diskus­sion zu diesen verschiedensten Punkten. Bei dieser Enquete hat sich vor allem ge­zeigt, dass durch die veränderten Familienformen, durch die veränderten Lebenswel­ten und Lebensrealitäten die Menschen veränderte Bedingungen brauchen, dass ver­änderte Bedingungen gefordert sind.

Trennungen, Scheidungen hinterlassen Spuren: Spuren der Kränkung, Spuren des Zorns, Spuren des Allein-gelassen-Seins, Traurigkeit – um einige emotionale Befind­lichkeiten zu nennen –, und zwar bei Erwachsenen und vor allem auch bei Kindern. Prinzipiell stellt sich natürlich auch die Frage, warum wir eine so hohe Zahl an Schei­dungen zu verzeichnen haben. Haben wir keine Streitkultur in Österreich? Herrscht in vielen Familien die sogenannte Sprachlosigkeit? Können anstehende Probleme nicht gelöst werden? Ist die einzige Lösung die Trennung? – Tatsache ist, dass die strittige Trennung anstehende Probleme nicht lösen kann, sondern diese zum Teil verschärft und ausgelagert werden.

Nun, meine Damen und Herren, soll die Lösung aller anstehenden Konflikte die auto­matische gemeinsame Obsorge sein – eine verordnete Verpflichtung, die kein Ver­ständnis der Eltern voraussetzt. So einfach, wie Sie sich das vorstellen, Frau Ministe­rin, ist das nicht, und davon bin ich überzeugt. Wenn Eltern sich nicht auf eine gemein­same Obsorge einigen können, so hat das Gründe, und ich denke auch, dass Zuwen­dung – das, was Kinder brauchen, was sie zu Recht wollen und was ihnen auch zu­steht – nicht verordnet werden kann. Im Gegenteil! Ich bin davon überzeugt, dass ver­ordnete Harmonie zu noch mehr Problemen führt und im Übrigen einen Rückschritt im Familienrecht bedeutet, denn diese automatische Obsorge hatten wir schon einmal. (Abg. Strache: Deutschland zeigt genau das Gegenteil, Frau Kollegin! Die Bundesre­publik Deutschland und Rot-Grün haben das ganz anders gesehen!)

Auch insgesamt muss festgestellt werden, dass zu diesem gesamten Themenbereich, Herr Kollege, kein ausreichendes Daten-, Fakten- und Zahlenmaterial vorliegt. Wir ha­ben keine grundsätzlichen Analysen. Ich bin auch davon überzeugt, meine Damen und Herren, dass wir die Themen nicht unmittelbar miteinander verknüpfen können, son­dern dass wir getrennt über die Obsorge, über Besuchsregelungen und vor allen Din­gen auch über den Unterhalt diskutieren müssen. Es geht um die Zeit danach, und es geht vor allem darum, dass oft ein Unvermögen bei Erwachsenen vorhanden ist, Lö­sungen zu finden, und sie somit ihre Kinder als Spielball einsetzen.

Wir SozialdemokratInnen stehen für ein modernes Familienrecht, das im Gesamten dis­kutiert werden soll und kein Flick- und Detailwerk sein kann, denn Familien brauchen unsere Unterstützung. Wir brauchen maßgeschneiderte Lösungen, die den Bedürfnis­sen der Eltern und ebenso den berechtigten Ansprüchen der Kinder entgegenkommen und die auch berücksichtigt werden.

Sie sprechen von begleitenden Maßnahmen, Frau Ministerin. – Konkret dazu meine Frage: Haben Sie dafür vorgesorgt? Gibt es ausreichend finanzielle und personelle Ressourcen? Denn diese sind notwendig, um maßgeschneiderte Lösungen, berechtig­te Lösungen erstellen und auch finanzieren zu können.

 


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