Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll96. Sitzung / Seite 54

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10.07.37

Abgeordnete Mag. Daniela Musiol (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren ZuseherInnen! Das ist offenkundig ein emotionales Thema, inklusive bemühter Untergriffe des Kollegen Fichtenbauer, den ich jetzt gerade nicht sehe (Rufe bei der FPÖ: Oje! Abg. Neubauer: „Untergriffe“!) – emotional deshalb, weil nicht nur die Menschen hier im Saal, sondern wahrscheinlich nahezu alle Menschen in Österreich selbst Erfahrungen mit dem Thema haben, sei es, weil sie selbst in Trennungs- und Scheidungssituationen waren, oder sei es, weil sie andere Menschen kennen, die in Trennungs- und Scheidungssituationen waren.

Genau in solchen Fällen ist es oft schwierig, wirklich sachlich und differenziert zu dis­kutieren, weil eben oft wirklich aus dem subjektiven Blickwinkel, aus dem Blickwinkel der eigenen Erfahrung heraus, die Einzelne gemacht haben, argumentiert wird.

Vor diesem Hintergrund ist es mehr als enttäuschend, Frau Ministerin, dass Sie es nicht geschafft haben, einen Entwurf vorzulegen, der all die Blickwinkel, die es in die­sem Bereich gibt, beinhaltet. Ihr Entwurf spricht eine ganz eindeutige Sprache: Ihr Ent­wurf spricht die Sprache der Väter. Ihr Entwurf spricht nicht die Sprache der Kinder. – Ich werde das näher erklären. (Beifall bei den Grünen. Abg. Steibl: Dann haben Sie den Vorschlag nicht gelesen! Abg. Mag. Donnerbauer: Bleiben Sie sachlich!)

Wenn Sie alle hier von Kindeswohl sprechen, wenn Sie alle hier von dem Recht des Kindes auf beide Elternteile sprechen, dann sind wir uns einig. Worin wir uns dann aber nicht mehr einig sind, ist die Frage, was denn das Kindeswohl ist und was denn das Recht des Kindes auf beide Elternteile ist. (Ruf bei der ÖVP: Nur Ihre Meinung ist sachlich!)

Sie wissen ganz genau, dass Eltern nicht gleich Eltern sind. Sie wissen ganz genau – und ich lasse das jetzt absichtlich geschlechtsneutral –, dass es Eltern gibt, die nicht zum Wohle der Entwicklung ihrer Kinder agieren – Mütter wie Väter –, und dass es Väter gibt, die sich die ganze Zeit über in der Beziehung nicht um das Wohlergehen ihrer Kinder gesorgt haben und dann im Trennungsfall plötzlich das Interesse an ihren Kindern entdecken.

Das möchte ich ihnen auch gar nicht absprechen, denn das kann durchaus geschehen, dass man in einer bestimmten Situation sozusagen nicht die Möglichkeit oder auch das Interesse hat und dann durch eine Krise – und Trennung und Scheidung sind zweifels­ohne für alle Beteiligten eine solche – sozusagen seine Werte, seine Interessen ändert. Das darf aber nicht dazu führen, dass wir hier ein Gesetz beschließen – glücklicher­weise nicht heute, es wird ja noch Gespräche geben –, in dem alles über einen Kamm geschoren wird (Abg. Mag. Donnerbauer: Das stimmt doch nicht!), in dem, egal wie die individuelle Situation der einzelnen Familien ist, automatisch ein Zustand herge­stellt werden soll, der nicht zum Wohle des Kindes ist. (Beifall bei den Grünen. Abg. Mag. Donnerbauer: Sie haben es nicht verstanden!)

Was wir brauchen – wir Grüne haben das bereits bei der Enquete vorgeschlagen –, ist eine Deeskalation. Trennung und Scheidung sind Krisensituationen. Menschen müs­sen sich damit konfrontieren, dass etwas, was sie vorhatten, nämlich miteinander zu le­ben, miteinander die Kinder großzuziehen, miteinander ein Stück des Weges zu ge­hen, beendet ist – aus welchen Gründen auch immer. Das bringt alle Familien, alle Be­teiligten in Krisensituationen.

Ich bin seit über 15 Jahren Scheidungs- und Trennungsmediatorin, und glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich spreche. (Abg. Mag. Donnerbauer: Das ist ja noch ärger! Da handeln Sie ja wider besseres Wissen!) Auch die Menschen, die bewusst und gewillt aus einer Beziehung herausgehen, sind in einer Krise, weil sie trotzdem einen Neuan­fang machen müssen. Und in dieser Krisensituation hilft es ihnen nicht, wenn sie zwang-


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