Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll96. Sitzung / Seite 79

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UNO-Menschenrechtsrat. Wir bringen daher heute gemeinsam mit der SPÖ und den Grünen auch einen entsprechenden Vorschlag auf Fassung einer Entschließung zur Unterstützung ein. Da gibt es auch weiter eine Möglichkeit, die Arbeit der UNO mit der Arbeit der Europäischen Union ideal zu vernetzen.

Nun aber zur Situation in der Region. Meine Damen und Herren, ich bin für eine neue Mittelmeerpartnerschaft, denn wir hören in diesen Tagen aus der arabischen Welt den durchdringenden Ruf nach Menschenwürde, nach Freiheit und nach Offenheit. Dieser Ruf erklingt nicht von einzelnen Gruppierungen, sondern er kommt aus der Mitte der Gesellschaft, von den Frauen und den Männern, von den Jungen und den Alten. (Bei­fall bei der ÖVP.) Und er ist – das ist interessant – von den bisherigen Machthabern auch nicht mit Geld oder anderen Versprechungen oder gar mit Gewalt zu stoppen. Naher Osten und Demokratie sind also keine Gegensätze. Wer immer diesem Irrglau­ben bis jetzt gefolgt ist, ist heute eines Besseren belehrt worden.

Natürlich wird der Weg in die Freiheit von Land zu Land noch sehr unterschiedlich sein und er wird schrecklicherweise wohl auch kaum irgendwo ohne Blutvergießen zu ge­hen sein. Aber am klaren Willen der Völker im Nahen Osten und im Maghreb, die alten Herrschaftsverhältnisse abzuschütteln, gibt es keinen Zweifel. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir werden jetzt Zeugen einer zweiten Welle der Selbstbefreiung: nach dem Ende des Kolonialismus das Ende der inneren Fremdherrschaft durch Korruption und Unterdrü­ckung. Das ist ein Grund für Zuversicht trotz der blutigen Geburtswehen.

Europa hat, meine Damen und Herren, jetzt viel für friedliche Übergänge anzubieten. Wir haben schließlich mit amerikanischer Hilfe nach dem Zweiten Weltkrieg den Neu­anfang geschafft, wir haben aber auch nach 1989 die friedliche Transformation des Kontinents und den Übergang vom Kommunismus zur Freiheit in Ost- und Mitteleuropa gestaltet. Dieses Transformationswissen gilt es jetzt klug zu nützen.

Europa sollte meiner Meinung nach inzwischen auch das Selbstbewusstsein haben, ei­nen eigenen Plan zu formulieren. Wir sollten nicht reflexartig auf den Marshall-Plan, der mehr als 60 Jahre alt ist und von einem amerikanischen Außenminister formuliert wurde, bei allen historischen Verdiensten, und ich bin die Erste, die diese unterstrei­chen würde, zurückgreifen. Ich wünsche mir einen Europa-Plan, der das Wissen und die Mittel der verschiedenen Organisationen wie der Europäischen Union, des EWR, des Europarates und der OSZE miteinander effizient vernetzt und diese den arabi­schen Partnern ohne Bevormundungshaltung auf Augenhöhe anbietet. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Zeit ist also reif für eine neue Mittelmeerpartnerschaft Europas mit den südlichen Mittelmeer-Anrainern. Eine solche Partnerschaft muss vordringlich den Wissenstrans­fer für die rasche Schaffung der Voraussetzungen für freie Wahlen und für den Aufbau demokratischer Institutionen und Verfahren anbieten. Jetzt gilt es Verfassungen umzu­schreiben, neu zu schreiben, Wahlgesetze zu formulieren, Parteigründungen zu er­möglichen, Wählerverzeichnisse zu etablieren. In all diesen Bereichen verfügt Europa über ein einzigartiges und weltweit geschätztes Wissen.

Parallel dazu muss natürlich die wirtschaftliche und soziale Entwicklung gezielt voran­getrieben werden. Für Ansätze braucht man sich eigentlich nur den Arab Human De­velopment Report anzuschauen.

Finanzmittel sind vorhanden, sowohl in der Kommission als auch in der EIB. Hier kön­nen wir gezielt Infrastruktur und Wirtschaft, den Mittelstand vor allem fördern, wobei wir in erster Linie auf die Bedürfnisse der Empfängerländer, nicht auf jene der Geberländer eingehen sollten.

Wichtig ist auch der Bereich Zugang zur Bildung und eine Neukonzeption der Entwick­lungszusammenarbeit.

 


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