Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll96. Sitzung / Seite 144

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Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Derzeit ist ein Regierungsmitglied anwesend, das ist die Frau Bundesministerin für Wissenschaft, und jetzt kommt noch ein zweites hinzu.

Bitte setzen Sie fort, Frau Kollegin.

 


Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (fortsetzend): Wir hätten gerne ein zu­ständiges Regierungsmitglied gehabt, aber ich sehe, der Herr Bundeskanzler ist einge­troffen. Das ist gut so, und der Herr Umweltminister ist mittlerweile auch eingetroffen. Gut, dass Sie sich für die Frage von Euratom interessieren. (Beifall bei den Grünen. – Ruf bei den Grünen: Im Unterschied zur SPÖ!) – Ja, wenig Anwesenheit bei der SPÖ, das muss man auch feststellen. (Abg. Riepl: Bei euch fehlen auch ein paar! Bei euch fehlen auch ein paar!)

Schade, denn diese Diskussion bewegt im Moment sehr viele Bürgerinnen und Bürger auf der Straße, die sich mit ganz wenig Ressourcen in ihrer Freizeit, in der Zeit, die sie normalerweise für Familie und sonstige Aktivitäten hätten, für ein politisches Anliegen engagieren, nämlich für ein Volksbegehren, das die Bundesregierung auffordert, einen Austritt aus Euratom vorzunehmen und eine Volksabstimmung über dieses Thema durchzuführen. Diesen Leuten möchte ich von dieser Stelle aus einmal ein Danke aus­sprechen, dass sie sich ehrenamtlich, neben ihrer Berufstätigkeit für diese Dinge en­gagieren. Das sind nämlich wichtige Fragen im Interesse der österreichischen Bevölke­rung. Danke sehr dafür! (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Die Europäische Union, die Europäische Atomgemeinschaft – wir werden uns das alles noch im Detail anschauen – ist ein sehr abstrakter Begriff. Woran wir alle uns noch sehr gut, sehr direkt und unmittelbar erinnern, ist der 26. April 1986. Der Tag, an dem das Atomkraftwerk Tschernobyl – damals in der Sowjetunion, in der heutigen Ukraine – im Rahmen eines sehr, sehr großen Unfalls de facto explodierte, gewaltige Mengen an Radioaktivität an die Umwelt abgegeben wurden und eine radioaktiv verseuchte Wolke quer durch ganz Europa enormen Schaden anrichtete, auch in Österreich, jährt sich jetzt zum fünfundzwanzigsten Mal.

Zu diesem Zeitpunkt fand in Wien gerade der 1.-Mai-Aufmarsch statt. Es hat geregnet. Radioaktiver Fallout hat vielen Menschen damals gesundheitlich extrem geschadet, und viele erinnern sich noch an die Verbote, nicht in die Sandkästen zu gehen, die Schuhe abzuklopfen, keine Waldfrüchte mehr zu ernten, et cetera. In Österreich hat das zu einem Umdenken geführt, und in ganz Europa hätte es das Ende der Atom­wirtschaft bedeutet, gäbe es nicht Euratom.

Euratom ist sicher die Lebensader einer Industrie, die so furchtbare Unfälle, bei denen so viele Menschen zu Tode gekommen sind, zu verantworten hat. Ohne Euratom gäbe es diese Weiterführung der Industrie nicht. (Abgeordnete der Grünen entrollen ein Transparent mit der Aufschrift: „RAUS AUS Euratom!“) Deswegen gibt es nur eine einzige Alternative, und die heißt für Österreich und für viele engagierte Menschen in ganz Europa: Austritt aus dieser Europäischen Atomgemeinschaft, raus aus Euratom und stattdessen Investitionen in erneuerbare Energieträger! (Beifall bei den Grünen so­wie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Diese Diskussion geht schon lange in Österreich und immer wieder mit demselben Tenor. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Man muss vielleicht jetzt noch einmal erwähnen und erklären, was Euratom eigentlich alles macht, woran sich Österreich damit auch be­teiligt, wie die Argumente gegenseitig aufgestellt sind und wie man die einmal klären kann.

Euratom ist im Wesentlichen eine Gemeinschaft, die sehr undemokratisch organisiert ist. Das Europäische Parlament hat nichts mitzureden. Es gibt zwei große Aktivitäten: auf der einen Seite zinsbegünstige Kredite für sehr große Projekte, also vor allem für neue Atomkraftwerke, und auf der anderen Seite gibt es das Forschungsprogramm, wobei Milliarden vor allem in die Entwicklung von Kernfusionsreaktoren gesteckt, aber


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