Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll96. Sitzung / Seite 145

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

auch neue Atomreaktoren – die berühmte Generation IV – erforscht werden sollen. – Also eine Gemeinschaft, ein Verein, bei dem man mit der österreichischen Zielsetzung eines AKW-freien Mitteleuropas oder der Stärkung des Anteils der erneuerbaren Ener­gien eigentlich nicht unbedingt dabei sein sollte.

Seit dem Terrorangriff auf die Twin Towers in den USA ist eine neue Gefährdung dazu­gekommen, die immer wieder – vollkommen – ausgeblendet wird, nämlich dass kein einziges Atomkraftwerk Europas gegen einen gezielten Terrorangriff oder gegen einen Flugzeugabsturz gerüstet wäre. Das betrifft insbesondere Anlagen an den österreichi­schen Grenzen. Isar 1, zum Beispiel, in Deutschland, oder Mochovce mit seinem Se­kundär-Containment, dem berühmten Bubble Condenser – also ohne feste Schutz­hülle –, aber auch Dukovany – also alles Atomkraftwerke, die innerhalb der berühmten Todeszone rund um Österreich angelegt sind.

Diese Gefahr wird vollkommen ausgeblendet, als würde sie nicht existieren. Sie exis­tiert in keinem Sicherheitskonzept, in keiner politischen Diskussion. Im Gegenteil: Im Rahmen von Euratom wurden in den letzten 20 Jahren – nach Tschernobyl – 4 Milliar­den € an Krediten zur Verfügung gestellt, um die Atomenergie weiter auszubauen. Der große Nutznießer dieser Geldverschiebung war in erster Linie Frankreich mit über ei­ner Milliarde, aber auch Italien und Belgien – also die großen Atomländer– haben sehr von diesen Geldern profitiert, und Österreich hat seit dem Beitritt zur Europäischen Union da mitgezahlt. Es ist ungefähr eine halbe Milliarde €, die Österreich in diesem Bereich de facto zur Verfügung gestellt hat – aus österreichischen Steuergeldern.

Vor allem vonseiten der ÖVP kommt jetzt immer das Gegenargument, das sei doch alles nur für die Sicherheit und für die Entsorgung gedacht. Das ist allerdings falsch. Das Argument ist nicht wahr. Die Aufschlüsselung der EU-Kommission aus dem Jahr 1989 spricht eine sehr deutliche Sprache: Der Hauptteil der Euratom-Kredite wird für die Produktion von Strom verwendet.

Da geht es einfach um Atomstromproduktion und um nichts anderes. Sicherheit und Abfallentsorgung sind vorgeschobene Argumente. Das ist das letzte Feigenblättchen, an dem sich Österreich in dieser Frage noch festhält, um zu argumentieren, dass man hier weiter mit dabei ist.

In die berühmte Kernfusionsforschung fließt auch sehr viel Geld. Da wird die Heils­bringung versprochen, und die Heilsbringung wird immer weiter in die Zukunft ge­schoben. In 40 Jahren, in 50 Jahren, in 60 Jahren wird es endlich möglich sein, mit Kernfusion auch tatsächlich kommerziell Strom zu erzeugen. So lange wollen wir nicht warten. Wir glauben, dass diese Gelder bedeutend vernünftiger, intelligenter und bes­ser investiert wären im Bereich der erneuerbaren Energieträger. Hier brauchen wir sie ganz dringend, um unsere Abhängigkeit von Uran oder auch von Öl und Gas endlich zu verringern und letztendlich auch auslaufen zu lassen.

Interessant ist auch das österreichische Abstimmungsverhalten über all die Jahre. Ös­terreich argumentiert sehr gerne – und da ist vor allem der Umweltminister gemeint –, wir müssten hier mit dabei sein, weil wir dann mitreden könnten. Es lohnt sich, sich das einmal anzuschauen. An und für sich ist es ja kein falsches Argument: Wenn man wo dabei ist, kann man auch mitreden. (Zwischenruf des Abg. Dr. Bartenstein.)

Die Frage ist nur, ob Österreich jemals ernsthaft mitgeredet hat. Wenn man sich die ÖVP-Bilanz hier anschaut, wenn man sich die österreichischen Bemühungen im Rah­men der Euratom-Gemeinschaft von Anbeginn einmal vor Augen führt, so stellt man fest. Das ist leider eine sehr ernüchternde Bilanz!

Insbesondere die ÖVP hat da immer wieder eine sehr doppelbödige Rolle gespielt, weil natürlich alle konservativen Parteien Europas pro Atom ausgerichtet sind und es offen­sichtlich auch der österreichischen ÖVP beziehungsweise der ÖVP-Fraktion in Brüssel sehr schwerfällt, sich gegen diesen Mainstream zu stellen.

 


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite