Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll96. Sitzung / Seite 147

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Atomrisiko an Österreichs Grenzen vermutlich verdoppelt hat: Durch den fertiggestell­ten Ausbau in Temelίn, in Mochovce, die neuen Pläne in Oberitalien und der Schweiz, die Laufzeitverlängerung in Paks in Ungarn und das Desaster in Deutschland.

Es gibt eine verheerende Bilanz, was Entsorgungsmöglichkeiten betrifft, auch hier wie­der Deutschland: Um das Lager Asse gab es eine lange Diskussion, angeblich ist es sicher, angeblich ist es trocken, aber durch diesen Salzstock sind die Bäche durchge­flossen. – Also ein Scheitern auf vielen Ebenen, aber trotzdem gibt es Ausbaupläne, die ausschließlich damit begründet werden, dass es eine europäische Atomgemeinschaft gibt, die dies fördert, die dies unterstützt und die bei jedem einzelnen dieser Projekte auch eine sehr unrühmliche Rolle spielt.

Das letzte und neueste Argument ist, Klimaschutz als Deckmantel für Atomausbau­pläne zu missbrauchen, und es gibt immer wieder Vorstöße der Kommission in diese Richtung. Wir hätten uns von Österreich ein sehr viel lauteres, ein sehr viel stärkeres und auch ein sehr viel offensiveres Vorgehen bei all diesen Projekten gewünscht und erwartet.

Vor allem von Ihnen, Herr Umweltminister, aber auch von Ihnen, Herr Bundeskanzler, hat man wenig zu all diesen Ausbauplänen gehört. Sie haben sich sehr vornehm zu­rückgehalten, statt bereits im Vorfeld zu Projekten eindeutig und scharf Stellung zu be­ziehen, internationale Möglichkeiten – auf Verträgen gegründet – auszunutzen, und die Gesundheits- und Sicherheitsinteressen der österreichischen Bevölkerung auch wirk­lich ernsthaft anzugehen und ernsthaft zu vertreten. Atompolitik soll nicht an der öster­reichischen Grenze enden. Im Boulevard und an der österreichischen Bundesgrenze endet sehr oft die österreichische Anti-Atompolitik, und das ist sicher nicht das, was sich die Bevölkerung jetzt erwartet.

Interessanterweise waren sowohl SPÖ als auch ÖVP in vielen Landtagen bereit, das Volksbegehren zu unterstützen, den Inhalt zu beschließen. Wir haben Beschlüsse aus den Jahren 2007 und 2008 von allen neun österreichischen Landtagen. Stimmen der SPÖ, Stimmen der ÖVP, Stimmen der Grünen, Stimmen der FPÖ – in allen neun Land­tagen gibt es Beschlüsse, die die Bundesregierung auffordern, diesen Ausstieg auch vorzunehmen. Fast 200 Gemeinden haben das verlangt und gefordert. Und man fragt sich, was es sonst noch geben muss – außer einer so starken Bewegung in der Bevöl­kerung –, damit Sie in der Bundesregierung sich endlich einmal bewegen.

Ich denke, gerade vor dem Hintergrund, dass sich in vielen politischen Fragen Blo­ckadesituationen ergeben haben zwischen ÖVP und SPÖ, dass nichts weitergeht in vielen Bereichen, ist es wirklich eine große Verfehlung, auf ein so starkes Votum aus den Landtagen, aus den Gemeinden, von der Bevölkerung nicht zu reagieren, das nie­derzubügeln, zu ignorieren und zuletzt auch noch im Umweltausschuss nicht einmal den Mut zu besitzen, das abzulehnen, sondern es einfach zu vertagen und damit die Debatte zum Verschwinden zu bringen. Das ist nicht fair! Das ist vor allem gegenüber all diesen Menschen, die in diesem Bereich arbeiten und sich engagieren, nicht fair. Deswegen bringen wir heute diesen Dringlichen Antrag ein, um Ihnen nicht zu ermög­lichen, das zu verstecken.

Vorarlberg, Salzburg, Oberösterreich, alle haben das mit großem Engagement be­schlossen, und Ihr einziges Argument – in der ÖVP und in der SPÖ – ist mittlerweile ein juristisches, ein rechtliches. Sie sagen nämlich, das sei ja gar nicht möglich, das sei juristisch gar nicht möglich. Sie verweisen auf zwei Rechtsgutachten. Es gibt allerdings drei andere Rechtsgutachten, die sagen, es sei sehr wohl möglich.

Sie übersehen dabei eine ganz wesentliche Frage in der Europäischen Union. Viele Fragen sind keine reinen Rechtsfragen. Der Ausstieg aus einer Teilgemeinschaft der Europäischen Union wäre ein absolutes Novum. Und es würde eine unglaubliche Dy-


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