Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll99. Sitzung / Seite 53

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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Mag. Schatz zu Wort. – Bitte.

 


10.47.28

Abgeordnete Mag. Birgit Schatz (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Damen und Her­ren! Wahrscheinlich hat es jeder von Ihnen selbst erlebt – wir alle haben es gemein­sam mit Jacky Maier soeben erlebt –: Sie werden angerufen, und am anderen Ende der Leitung versucht Ihnen eine freundliche Stimme klarzumachen, warum Sie gerade jetzt das absolut beste Geschäft Ihres Lebens machen, wenn Sie zum Beispiel den Telefonanbieter wechseln.

Meine Damen und Herren, wahrscheinlich wird niemand von Ihnen hier im Saal auf so eine Machenschaft hereinfallen, aber zum Beispiel bei meiner 76-jährigen Nachbarin, da hat das ganz anders ausgeschaut. Sie hat nämlich nach genau so einem Telefonat eine Rechnung von erstmalig 300 € bekommen und dann eine Vorschreibung für wei­tere Monatsraten von 40 €. Also ohne sich dessen bewusst zu sein, hat diese 76-jährige Dame am Telefon einen Vertrag abgeschlossen, der horrende Rechnungen zur Folge hatte.

Es war ziemlich mühsam, aus diesem Vertrag wieder herauszukommen. Es war sicher nicht einfach. Warum war es nicht einfach? – Weil diese alte Dame zuerst einmal geschockt war, als sie diese Rechnung gesehen hat: 300 €, das ist für eine Pen­sionistin keine Kleinigkeit. Dann war es ihr peinlich. Es war ihr peinlich, dass sie sich überrumpeln hat lassen. Das heißt, es hat wieder eine Zeit lang gedauert, bis sie sich überhaupt an mich gewandt hat, und zu diesem Zeitpunkt war es für einen Rücktritt schon fast zu spät. Und ich muss schon sagen, wenn ich von Rücktritt spreche: Diese Dame wusste überhaupt nicht, dass sie die Möglichkeit hat, von diesem Vertrag zurückzutreten, denn der Keiler am Telefon hat sie darüber – ziemlich schlüssiger­weise – nicht aufgeklärt. Und welcher Durchschnittsbürger, welche Durchschnittsbür­gerin kennt sich schon im Vertragsrecht so aus, dass er/sie über seine Rücktrittsrechte Bescheid weiß? – Eben kaum einer. Und das ist ein großes Problem.

Meine Damen und Herren, das, was meine Nachbarin erlebt hat, erleben viele Men­schen, vor allem viele ältere Menschen, in unserem Land andauernd: Sie werden angerufen, überrumpelt und schließen Verträge ab, aus denen sie kaum oder gar nicht mehr herauskommen. Und ich und wir Grünen sagen klar und deutlich: Das ist so nicht in Ordnung, das gehört geändert! (Beifall bei den Grünen.)

Bis vor Kurzem teilte ja auch die Bundesregierung diese Meinung von uns Grünen. Im Regierungsprogramm im Kapitel Justiz ist deshalb folgende Absichtserklärung zu lesen:

„Verträge, die im Rahmen unerbetener Werbeanrufe geschlossen werden, sollen ent­weder nichtig oder bis zur schriftlichen Bestätigung durch den Kunden schwebend unwirksam sein.“

Was bedeutet das? – Ein solcher unerbetener Werbeanruf soll nicht zu einem gültigen Vertragsabschluss führen können. – Okay, so stand das im Regierungsprogramm. Aber jetzt haben wir die Regierungsvorlage, den ganz konkreten Gesetzesvorschlag, und was muss ich da feststellen? – Nichts ist es mit der Nichtigkeit, nichts ist es mit dem vollen Schutz vor solchen Verträgen, nichts ist es damit geworden. Nur – und Jacky Maier hat schon gewusst, warum er das Beispiel mit den Glücksspielen genommen hat – im Zusammenhang mit Glücksspielen und mit Lotteriebetreibern, da ist man künftig davor geschützt, am Telefon überrumpelt zu werden. Aber in allen anderen Fällen, bei jedem anderen Geschäft – wie dem, was meiner Nachbarin zugestoßen ist – ist man eben weiterhin nicht geschützt. All diesen anderen Menschen


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