Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 125

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Subtiler ist da der Fall des Altkanzlers Wolfgang Schüssel: ein Aufsichtsratsposten für einen ehemaligen Bundeskanzler, das mag auf den ersten Blick unverdächtig klingen. Die betreffende Aktiengesellschaft ist jedoch ein führendes Kernkraftunternehmen. Die Bezüge für diese Position sind höher als der Bezug, den Wolfgang Schüssel für sein Mandat im Nationalrat bezieht, und zwar gewinnabhängig: je mehr Atomstrom gewinn­bringend verkauft wird, umso mehr verdient Schüssel. All das lässt die Tätigkeit Schüs­sels für die deutsche RWE doch in einem höchst zweifelhaften Licht erscheinen. Für die Zukunft wird daher eine Neudefinition der Offenlegung solcher Interessenskonflikte für Abgeordnete dringend erforderlich sein.

Die Grünen werden weiter ihre Finanzen offen legen und auf der Seite der Bevölkerung glaubwürdig gegen Korruption und Steuergeldverschwendung ankämpfen. Politische Korruption ist kein Kavaliersdelikt. Sie muss konsequent bekämpft werden. Dazu braucht es strenge gesetzliche Regelungen und Strafbestimmungen.

Es bedarf daher einer Transparenz- und Anti-Korruptionsoffensive:

1. Saubere PolitikerInnen

a) volle Transparenz für alle Arten von PolitikerInnen-Einkünften

Alle Einkünfte und Nebeneinkünfte von PolitikerInnen – auch geldwerte Leistungen wie Urlaubseinladungen – müssen offen gelegt werden. Verstöße gegen die Offenlegungs­pflicht sollen strengen Sanktionen unterliegen. Bei wiederholter Verletzung der Offenle­gungspflicht soll als letzte Konsequenz Mandats- oder Amtsverlust drohen.

b) Abgeordnetenbestechung – keine Sonderrechte für Mandatare

In Österreich haben bestechliche Abgeordnete keine Sanktionen zu befürchten. Das hat auch die Affäre Strasser wieder gezeigt. Wäre Strasser Nationalratsabgeordneter, würden seinen Aktivitäten keinerlei strafrechtliche Konsequenzen folgen. Hintergrund ist der, dass im österreichischen Strafgesetzbuch die Abgeordneten immer dann von der Strafbarkeit ausgenommen sind, wenn es um Vorteilsannahme im Zusammenhang mit einer pflichtgemäßen Vornahme eines Amtsgeschäftes geht (zB Einbringen von Anfragen oder Anträgen). Bei der pflichtwidrigen Vornahme von Amtsgeschäften unter­liegen die Abgeordneten zwar dem Strafgesetzbuch, damit wurde jedoch im Som-
mer 2009 ein reiner Scheintatbestand geschaffen. Zwar wurden Abgeordnete in den Amtsträgerbegriff einbezogen, aber gleich wieder mit einem Korruptionsprivileg ausge­stattet. Abgeordnete machen sich künftig nur strafbar, wenn sie gegen Geld ihr Stimm­verhalten verkaufen oder die Pflichten nach der Nationalrats-Geschäftsordnung ver­letzten. Klingt gut – ist aber harmlos. Die Abgeordneten haben nämlich nach § 11 der Geschäftsordnung nur eine Pflicht: die Anwesenheitspflicht. Damit ist gesichert, dass kein österreichischer Abgeordneter jemals verurteilt werden wird.

c) Verbotene Geschenke

Wiederholte Geschenke an Amtsträger – im Fachjargon auch als Tatbestand der „An­fütterung“ bezeichnet – schaffen Abhängigkeiten. Bis zum Sommer 2009 war jede Ge­schenkannahme durch Amtsträger im Hinblick auf die Amtsführung strafbar. Ein kon­kreter Zusammenhang zwischen Geschenkannahme und konkretem Amtsgeschäft war nicht notwendig. Die diesbezüglichen Strafbestimmungen wurden 2009 bis zur Un­kenntlichkeit entschärft. Die neue Regelung ist de facto nicht vollziehbar. Es braucht ein wirksames Verbot für Geschenkannahmen durch AmtsträgerInnen nach internatio­nalen Standards.

d) Alle „Amtsträger“ erfassen

Ausgenommen von diversen Strafrechtsbestimmungen für Amtsträger sind staatsnahe Unternehmen: Das betrifft zB Post, ÖBB, ASFINAG, ORF, die öffentlich-rechtlichen


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