Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 39

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gierungsparty mit einem Oppositionsanliegen stören. Einige haben gleich die Flucht er­griffen, offensichtlich haben die Neuen hier bleiben müssen, aber das ist offensichtlich das Schicksal der Neuzugänge, dass sie die Stellung halten müssen.

Dieser Rückverweisungsantrag an den Justizausschuss hat vollste Berechtigung. Die Kritik reicht von der EU selbst, die selbst nicht mehr an ihre Richtlinie glaubt, wie die Evaluierung zeigt, über den Datenschutzrat, der das kritisiert hat, bis hin zum Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte, das vom Infrastrukturministerium mit einem Gesetzesvorschlag beauftragt worden ist und meint, eine grundrechtskonforme Umsetzung sei nicht möglich. Im Justizausschuss – das ist schon erwähnt worden – haben sich fünf Experten dagegen ausgesprochen, und auch die SPÖ hat im Aus­schuss derart gewackelt, dass das mit freiem Auge sichtbar war.

Ich bin jetzt seit einigen Jahren hier im Parlament und habe nun ein Schauspiel erlebt, das ich bis jetzt noch nie gesehen habe. Während der Ausschusssitzung sind plötzlich die Klubobleute Kopf und Cap gekommen (Abg. Ing. Westenthaler: Die Peitschen­knaller sind gekommen!) und haben sich hinter den Vertretern ihrer Fraktionen aufge­reiht, um für Disziplin in ihren eigenen Reihen zu sorgen, weil offensichtlich die Gefahr gegeben war, dass dieses Anliegen im Ausschuss nicht durchgeht. – Ich sage: zu Recht!, denn man muss zunächst vielleicht einmal erklären, was die Vorratsdatenspei­cherung ist.

Wer für die Vorratsdatenspeicherung ist, müsste auch ein Gesetz befürworten, das be­sagt, die Post solle jeden Brief dokumentieren hinsichtlich der Fragen: Wer hat den Brief abgesendet? Wer hat den Brief bekommen? Wann wurde der Brief abgeschickt? Nichts anderes erfolgt nämlich bei der Vorratsdatenspeicherung, nur eben hinsichtlich von E-Mails auf einer anderen technischen Ebene. Jeder hier im Parlament würde die Post betreffend sagen: Das ist totalitär, das ist einer Demokratie unwürdig!, aber bei den E-Mails interessiert das niemanden. (Beifall und Bravorufe bei den Grünen sowie Beifall bei FPÖ und BZÖ.)

Wer für die Vorratsdatenspeicherung ist, könnte mit der gleichen Berechtigung an jeder Ecke dieser Stadt einen Spitzel aufstellen, der aufschreibt, wer vorbeikommt. Nichts anderes sind die Standortdaten. Wir alle haben Handys, sind in Funkzellen eingeloggt. Die Funkzellen speichern, wo wir uns bewegen. Das ist nichts anderes als eine genaue Überwachung, wer sich wann wo befunden hat. Beim Spitzel an der Hausecke würde jeder sagen: Das ist totalitär, das erinnert an vergangene Regime, die Gott sei Dank überwunden sind!, aber bei den Standortdaten sagt jeder, diese gehören verwertet.

Das, meine Damen und Herren, ist ein Eingriff in Artikel 8 EMRK: Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens! (Beifall bei Grünen, FPÖ und BZÖ.)

Ich habe viel Verständnis für Ihre Regierungsparty, aber ich glaube, dass das das Par­lament und die BürgerInnen mindestens genauso interessiert.

Wenn Kollege Donnerbauer sagt, man sieht, wer für Sicherheit und wer nicht für Sicherheit ist, dann lade ich ihn ein, bei der schwarz/gelben Regierung in Deutschland nachzufragen. Dort wurde ja die Vorratsdatenspeicherung zuerst umgesetzt, dann vom Höchstgericht wieder aufgehoben und evaluiert, und es wurde festgestellt, dass sich die Aufklärungsrate im Zusammenhang mit Internetkriminalität oder internet-affiner Kri­minalität in gar keiner Weise verändert hat. Es hat überhaupt keine höhere Aufklä­rungsrate gegeben. Was bleibt, ist die Gefahr des Missbrauchs.

Deutschland ist kein Einzelfall. Nicht nur in Deutschland ist die Vorratsdatenspei­cherung durch das Höchstgericht aufgehoben worden, sondern auch in Bulgarien und Rumänien – kein Zufall, dort ist man natürlich deutlich sensibler –, in Tschechien und in Zypern. Die Schweden haben die Vorgaben nicht umgesetzt. Wir wären damit also


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