Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll102. Sitzung / Seite 68

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laub!) Also: Von den großen Reformen, die Sie angekündigt haben mit Beginn des Jahres, mit dem großen gemeinsamen Auftakt damals in der Hofburg, ist kein einziger Millimeter mittlerweile vorgelegt worden. Und da verstehe ich schon auch den Unmut und mittlerweile die Unzufriedenheit in großen Teilen der Bevölkerung, die sich einfach erwarten, dass hier etwas gearbeitet wird.

Sie, Herr Dr. Spindelegger, kommen jetzt als neuer Vizekanzler und ÖVP-Parteichef mit solchen Plattitüden daher – ich muss es leider so sagen – wie: ein neues Steuer­system, weniger Steuersystem, einfacher, leistungsgerechter!, oder: Familie ist mir wichtig! Bitte sagen Sie konkret, was Sie in den nächsten Wochen und Monaten an Vorschlägen auf den Tisch legen werden, welche Vorschläge wir hier zur Beschluss­fassung bekommen, wozu wir unsere Vorschläge auch gerne einbringen – oder schweigen Sie mit diesen endlosen Ankündigungen, Reformen zu machen, wenn Sie es dann nicht tun. (Beifall bei den Grünen.)

Gleichzeitig mit Ihrer Regierungserklärung heute hier – Erklärung von Kanzler, Vize­kanzler und allen neuen Regierungsmitgliedern in ihrer Funktion – werden ja bereits auch Gesetzespakete verabschiedet. Und ich empfinde es wirklich als Provokation, wenn Sie sagen: Sicherheit im Internet wird ein neuer Schwerpunkt, wenn wir gerade vorher über eine Stunde lang die Problematik der Vorratsdatenspeicherung diskutieren, in aller inhaltlicher Vehemenz, und ich empfinde es als echte Provokation, wenn Sie zum hundertsten Mal sagen: Raus aus Atomenergie!, und auf den Umweltminister ver­weisen und nicht fähig sind, die Lobbyisten in der eigenen Partei endlich einmal zu der Entscheidung zu zwingen, die sie treffen müssen, nämlich das Mandat zurückzulegen, Herr Ex-Kanzler Schüssel, der im Übrigen wieder einmal gerade nicht da ist. (Beifall bei den Grünen.)

Ich empfinde es als Provokation, wenn Sie neuerlich sagen: Rein in erneuerbare Ener­gieträger!, wenn gleichzeitig vom Wirtschaftsminister ein Ökostromgesetz vorgelegt wird, das jeder Beschreibung spottet, ein Gesetz, angesichts dessen die ganze Bran­che rotiert und sagt: Das ist eine Frechheit, das ist eine Geringschätzung unserer Ar­beit! Da gibt es Unternehmen, die zu 100 Prozent ins Ausland exportieren müssen, weil bei uns diese gesamte wichtige Branche, die der Schlüssel ist zum Ausstieg aus der Atomenergie, klein gehalten wird wie auf Gartenzwergniveau. Das empfinde ich als echte Provokation bei einer neuen Regierungserklärung. (Beifall bei den Grünen.)

Ich glaube, dass es auch für den neuen Wissenschaftsminister eine echte Provokation ist, zu hören, er soll einen Hochschulplan erarbeiten, er soll Universitätsstärkung be­treiben, er soll Forschungstätigkeit stärken – und dann kriegt er keinen einzigen Cent zusätzliches Geld?! Wir alle wissen, in welcher Situation die Universitäten sind. Da kann man mittlerweile nicht mehr nur von Aushungern sprechen, sondern die Univer­sitäten stehen wirklich am Ende. Und überhaupt kein frisches Geld, kein einziger Cent im vorgelegten Bundesfinanzrahmengesetz ist die Bankrotterklärung für jede Wissen­schafts- und Forschungspolitik in diesem Lande. Da sage ich Ihnen: Sie haben mein Mitleid, Herr Forschungsminister und Wissenschaftsminister, wenn Sie so Ihre Arbeit starten müssen! Ich habe wirklich Mitleid mit Ihnen. (Beifall bei den Grünen.)

Und ich empfinde es als Provokation, wenn Sie sagen, Familienpolitik ist Ihnen wichtig, und gleichzeitig wird ein Fremdenrechtspaket vorgelegt, das es ermöglicht, dass nach wie vor Kinder und Jugendliche in Schubhaft genommen werden können. Das emp­finde ich gerade als Mutter unerträglich! (Beifall bei den Grünen.)

Ich hätte mir gewünscht, dass Sie, wenn Sie das schon so in die Auslage stellen, hier zumindest eine Korrektur vornehmen, was Familien, Kinder und Jugendliche betrifft. Man kann über viele Dinge sehr lang und ausführlich diskutieren, aber über die Frage, ob Kinder ins Gefängnis müssen, sollten wir uns eigentlich mit einer christlich-sozialen


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