Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 42

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Es ist eine hohe Kultur in Österreich, wie Wahlen ablaufen. Jeder Bürger weiß, dass er im Wahllokal seinen Ausweis herzuzeigen hat, dass er nur allein in die Wahlzelle ge­hen darf, dass da nicht einmal ein Stau entstehen darf, damit ja nicht irgendwelche Un­regelmäßigkeiten passieren, dass man nicht offen abstimmen darf, das Kuvert zuma­chen muss und einwerfen. Das ist ganz bewusst so gemacht, weil das Wählen ein sehr sensibler Vorgang ist. Früher hat es immer geheißen: Du kannst den Leuten sagen, was du willst, du kannst sie beeinflussen, sie haben vielleicht auch ein anderes Partei­buch, aber in der Wahlzelle, da schaut ihnen keiner zu, da stimmen sie so ab, wie sie wirklich denken! (Beifall bei der FPÖ.)

Genau das ist aber bei der Briefwahl schlicht und einfach nicht der Fall.

Natürlich kann man fragen: Mein Gott, worüber regt man sich auf? – Es gibt einfach zu viele konkrete Fälle, die zeigen, dass es da Unregelmäßigkeiten gibt und dass da tat­sächlich beeinflusst wird.

Ohne jetzt irgendeine Schuldzuweisung oder einen Vorwurf zu machen ein Beispiel, das doch ganz erstaunlich ist, von der letzten Landtagswahl in Wien, von meinem Hei­matbezirk Simmering: Dort gab es im normalen Wahllokal das Ergebnis: 37 Prozent FPÖ und 47 Prozent SPÖ, also 10 Prozent Unterschied. Bei der Briefwahl allein – nur bei der Briefwahl! – hatte die FPÖ 25 Prozent und die SPÖ 55 Prozent. (Abg. Vi­limsky: Da schau her!) Jetzt kann mir niemand erklären, dass wir hier ein unterschied­liches Wählersegment haben. Wenn die Grünen oder die ÖVP bedeutend höhere An­teile bei den Briefwählern haben, hat man immer gesagt, dass das die gebildeteren Schichten sind, flexiblere Personen oder sonst etwas. Aber die SPÖ und die FPÖ ha­ben in Simmering sicherlich ein sehr ähnliches Publikum bei den Wählern, und daher ist dieses Ergebnis ganz erstaunlich.

Ich behaupte keineswegs, dass hier Wahlbetrug stattgefunden hat, aber es gibt einfach die Möglichkeit der Beeinflussung, es gibt die Möglichkeit, Druck auszuüben. (Beifall bei der FPÖ sowie Beifall des Abg. Windholz.)

Das geht ganz subtil: Man kann einem Menschen nahelegen: Nimm doch an der Brief­wahl teil, das ist gar nicht schwierig, ich helfe dir bei der Beantragung der Wahlkarte! Und dann weiß natürlich die Partei, die einen hohen Organisationsgrad hat, wann die Wahlkarte ankommt, und dann kann jemand wieder darauf hinweisen: Komm, ich helfe dir!, allenfalls vielleicht dann auch noch – bis jetzt war das überhaupt noch leichter möglich –, das abzuholen.

Die Person muss zuerst einmal Widerstand leisten dagegen, die Briefwahl durchzu­führen. Das muss sich erst einmal jemand trauen! Wir wissen, es gibt genügend Men­schen in Wien – in kleinen Gemeinden ist es sicher genauso –, die doch irgendwie Re­spekt haben, wenn jemand kommt, eine Autorität, und so etwas nahelegt. Die Person muss da einmal so kräftig, so charakterstark oder so mutig sein, Widerstand zu leisten.

Oder diese Person gibt dann ihre Briefwahl ab – da steht ihr Name drauf. Woher weiß der einfache Bürger, dass man das, was er gewählt hat, nicht nachvollziehen kann? Der weiß nicht genau, wie der Vorgang läuft. Wir, die wir hier sitzen oder auch in den Wahlkommissionen sind, wissen, wie das vonstattengeht oder wie es vonstattengehen soll. Der einfache Bürger weiß das nicht, der gibt jetzt diese Wahlkarte mit seinem Na­men wieder ab. Und dass da in Wirklichkeit nicht eine Beeinflussung stattfindet, das kann keiner annehmen. Und das ist genau der Punkt.

Wenn man das Wahlrecht so ernst nimmt, wie wir es ernst nehmen sollten, dann muss man die Briefwahl nach wie vor sehr sensibel behandeln. Wir sind der Meinung, inner­halb des österreichischen Staates brauchen wir bei den Nationalratswahlen jedenfalls keine Briefwahl, denn es gibt die Möglichkeit, mit einer Wahlkarte in ein anderes Wahl­lokal zu gehen, es gibt die Möglichkeit der fliegenden Wahlkommission – und außer-


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