Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 51

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trauen, das wir als politische Verantwortungsträger immer wieder rechtfertigen und im­mer wieder erobern müssen. Und wenn wir ehrlich zueinander sind, dann, müssen wir sagen, ist dieses Vertrauen der Menschen in die Politik, in viele Institutionen der Politik brüchiger geworden.

Natürlich beschäftigen wir uns alle – auch ich – mit der Frage: Warum ist das so? – Ich habe für mich aus meiner langjährigen Erfahrung heraus einiges formuliert, das ich Ih­nen jetzt gerne sagen möchte.

Wie wir miteinander umgehen, meine Damen und Herren, so wird mit uns umgegan­gen. Wie wir miteinander umgehen, so gehen früher oder später die Medien mit uns um. Wie wir miteinander umgehen, so gehen früher oder später die Menschen mit uns um. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Es liegt daher ausschließlich an uns selbst. Der respektlose Umgang mit den politi­schen Mitbewerbern, meine Damen und Herren, ist letztendlich zum Schaden aller. Wenn wir respektlos – und das ist keine Frage von Regierung oder Opposition, son­dern das betrifft alle –, wenn wir respektlos miteinander umgehen, dann verlieren wir den Respekt, und den Respekt zu verlieren ist das Schlimmste, das politischen Verant­wortungsträgern passieren kann. Wer Respekt verliert, verliert letztendlich das Funda­ment für Demokratie.

Es gehört auch eine Portion Selbstbewusstsein dazu. Wie wir mit unserer Institution, mit unseren Arbeitsbedingungen umgehen, ist auch eine Frage des Respekts vor uns selbst. Offen gesagt: Wenn wir hier viele Jahre darüber diskutieren, ob wir das Geld haben, unsere Arbeitsbedingungen im Sinne des Umbaus des Kernstücks der Demo­kratie, des Parlaments, zu rechtfertigen, dann können wir, wenn wir das nicht mehr können, ehrlich gesagt, früher oder später unsere Arbeit nicht mehr rechtfertigen. Es braucht Selbstbewusstsein im Umgang auch mit unseren Arbeitsbedingungen, mit un­seren Entlohnungen, mit unseren Möglichkeiten, Mitarbeiter einzustellen, meine Da­men und Herren! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ein Weiteres: Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass jeder, der hier herinnen sitzt, jede Partei, die vom Wähler und von der Wählerin legitimiert ist, in diesem Hohen Haus zu sein, grundsätzlich legitimiert ist, beide Rollen der Demokratie wahrzunehmen, näm­lich sowohl die Rolle als Regierungsverantwortliche als auch die Rolle der Opposition. Jede Partei, die in diesem Haus sitzt, meine Damen und Herren, hat das legitime Recht dazu. Wenn jemand einer Partei in diesem Haus das Recht dazu abspricht, so ist das demokratiepolitisch falsch. Jede Partei hat das Recht auf jede Rolle in der De­mokratie, ob Opposition oder Regierungsverantwortliche. Ausgrenzung ist daher keine Lösung, Selbstausgrenzung allerdings auch nicht, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

Vor allem aber möchte ich sagen: Es ist meine tiefe Überzeugung, dass die Fähigkeit eines Landes, seine Zukunft zu gestalten, untrennbar damit verbunden ist, wie es um die Fähigkeit, die Willigkeit und die Begeisterung der Politik bestellt ist, mit Verände­rung umzugehen. Ich halte die Veränderung, die Veränderungsfähigkeit, die Verände­rungswilligkeit und die Veränderungsbegeisterung deshalb für so entscheidend, meine Damen und Herren, weil in den nächsten Jahren eine Fülle von großen Themen, von wirklich großen Themen auf uns zukommen wird. Meine Erfahrung aus vielen Jahren in diesem Haus ist: Die Politik hat dann Respekt bei der Bevölkerung, wenn sie den Mut hat, die großen Fragen anzusprechen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wir sind gefordert, meine Damen und Herren! Die Europäische Integration ist in einer schwierigen Phase, machen wir uns nichts vor. Das europäische Projekt ist nicht per se ein Erfolgsprojekt aus der Vergangenheit heraus, sondern wird nur ein Erfolgs-


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