Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 56

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trotzdem gesagt: Leider ist es nicht immer der Fall, selbst wenn man gute Vorschläge hat, wenn man gute Initiativen bringt, egal welcher Couleur, selbst wenn man gute Ar­gumente hat, es auf der Hand liegt, dass es Änderungs- oder Handlungsbedarf gibt, und es daher logisch ist, dass die Mehrheiten in diesem Haus diesen folgen.

In diesem Fall war das glücklicherweise so. Es freut mich besonders, weil dieses Paket auf einige Initiativen der Grünen, auf einige Initiativen von mir als Verfassungsspre­cherin zurückzuführen ist: Initiativen zur Briefwahl und zur Frage: Wie kann man die Briefwahl demokratischer, missbrauchsunanfälliger machen?, Initiativen zur Frage des Wahlrechts von Strafgefangenen und Initiativen zur Frage: Was ist denn jetzt mit dem Wahlrecht der Familie Habsburg?, wozu ich später noch etwas sagen werde.

Ich möchte mich zuerst dem größten Teil widmen, nämlich der Briefwahl. Da gab es, wie schon erwähnt worden ist, viele Problemfelder bei der Umsetzung der Briefwahl, auf die man vorher schon von verschiedener Seite hingewiesen hat und die jetzt auch dargelegt wurden.

In diesem Zusammenhang kann ich sozusagen wieder den Herrn Kollegen Molterer bemühen. So lange er noch hier sitzt, mache ich das einfach jetzt. Ich kann mich an einen Verfassungsausschuss erinnern, der schon fast ein Jahr her ist, da haben wir einen Briefwahlantrag von mir diskutiert. Da haben Sie, Herr Kollege Molterer, gesagt: Wir haben uns damals entschieden, an die Mündigkeit der Wählerinnen zu glauben und diese in den Vordergrund zu stellen, und deswegen stehen wir zur Briefwahl!

Das kann ich unterstreichen! Aber das, was wir dann in den danach folgenden Wahlen gemerkt haben, ist: Es ist nicht die Mündigkeit der Wählerinnen und Wähler das Pro­blem, sondern das Problem ist die Mündigkeit oder sozusagen der Wille des demokra­tischen Vorgehens mancher Institutionen. Denn: Wenn wir uns die Problemfelder an­schauen, dann sehen wir, dass das nicht einzelne Wählerinnen waren, die da unmün­dig gehandelt haben, sondern dass das Bürgermeister, Amtspersonen, Vereine waren, die sowohl bei der Beantragung als auch bei der Übermittlung der Wahlkarten einfach missbräuchlich vorgegangen sind.

Es hat zum Beispiel in Oberösterreich eine Gemeinde gegeben, da hat der Bürger­meister zu einem Grillfest mit Grillhendl und Bier und auch antialkoholischen Geträn­ken, nehme ich an, eingeladen, und dort wurde angeboten, dass man die Wahlkarte vor Ort bestellen kann. Die Wahlkarte wurde vor Ort ausgefüllt – mit oder ohne Fett­flecken, das sei jetzt unserer Phantasie überlassen –, und dann wurde die Wahlkarte von der Gemeindesekretärin wieder mitgenommen. Dass man da nicht mehr von der Ausübung des geheimen Wahlrechtes sprechen kann, liegt auf der Hand. (Abg. Mag. Gaßner: Wo war das?) In Oberösterreich. (Abg. Rädler: Wer war das konkret?) Weiß ich jetzt nicht, kann ich Ihnen aber nachliefern.

Es gibt auch den längst bekannten Fall eines Bürgermeisters in Burgenland, der Wahl­karten im größeren Stil ausgefüllt hat. Es gibt auch in Bezug auf die Wien-Wahl die Vermutung, dass da im großen Stil von einzelnen Personen Wahlkarten für ganze Gruppen bestellt wurden. Man kann auch davon ausgehen oder muss vermuten, dass diese Wahlkarten dann auch in einem ausgefüllt wurden und nie bei den Wählerinnen und Wählern, für die sie bestellt wurden, gelandet sind.

Und es gibt auch die große Personengruppe jener, die in Pflegeheimen wohnen, die von Demenz betroffen sind und die aus diesen Institutionen am Wahltag nicht heraus­können und für die daher Wahlkarten bestellt wurde, ohne dass sie es wussten, ohne dass ihre Angehörigen je gefragt wurden. Da kann man sehr wohl diskutieren, ob diese Personen wirklich noch in der Lage sind, diesen konkreten Willen zu fassen und dann eine konkrete Wahlentscheidung abzugeben.

Vor diesem Hintergrund war es uns besonders wichtig – und das haben wir auch in An­trägen festgeschrieben –, dass all diese Möglichkeiten ausgeschlossen werden müs-


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