Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 74

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tionen und Wahlfälschung erlauben, werden sich nur dann, wenn sie wissen, dass so eine Vorgangsweise strafrechtlich hart sanktioniert ist, überlegen, ob sie so ein Ver­halten an den Tag legen. Und die politische Laufbahn ist schnell beendet, wenn ein Gericht entscheidet, dass so etwas strafrechtlich nicht akzeptabel ist. (Beifall bei den Grünen.)

Daher ist es in diesem Fall wirklich wichtig, sich anzuschauen: Reicht das bestehende Strafrecht im Zusammenhang mit Wahlmanipulationen aus? Ich weiß nicht, was mit diesem Lienzer Kommunalpolitiker passiert ist, das hat der Kollege Huber nicht er­wähnt, ob er ein Strafverfahren bekommen hat. Wenn alle diese Vorwürfe stimmen, dann frage ich mich schon: Warum nicht? Und da gibt es möglicherweise Nachbesse­rungsbedarf beim Strafrecht.

Ein zweiter Punkt zur Briefwahl, der noch erwähnt sein soll, auch wenn es einen klei­nen Aspekt betrifft: Die Auslandsösterreicher haben Angst gehabt, dass durch die Ver­kürzung der Nachfrist der Zeitraum für das Wählen insgesamt verkürzt ist, weil man die Streichung der Nachfrist im Fristenlauf nicht ganz kompensiert hat. Auch da gibt es ei­nen Entschließungsantrag, der klar dokumentiert, dass diese verlorene Zeit durch ein besseres Wahlmanagement eingebracht werden muss.

Frau Innenministerin, ich möchte aber als Justizsprecher der Grünen mit Ihnen noch über einen anderen wesentlichen Teil reden, und das ist die Frage des Wahlrechts für Strafgefangene. Sie betreiben – verzeihen Sie mir das! – ein bisschen einen Etiketten­schwindel, wenn Sie hier recht scharf auftreten und sagen: Wer eine Straftat begangen hat, der hat sein Bürgerrecht, das Wahlrecht, verwirkt.

Schauen wir uns einmal die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschen­rechte an. Ich nehme an, als Ministerin dieser Republik fühlen Sie sich diesen Men­schenrechten, der EMRK auch verpflichtet. Die Vorgaben sind relativ klar: Das Wahl­recht darf nicht durch Gesetz generell gestrichen werden. Zweitens: Es muss durch Richterbeschluss erfolgen, und drittens: Es darf nur dann erfolgen, wenn die Straftat, die begangen wurde, in einem Zusammenhang mit Gefährdung von Demokratie und Rechtsstaat steht.

Jetzt machen Sie ein Gesetz, wo Sie offensichtlich den Eindruck erwecken wollen, auch dann, wenn jemand eine schwere Straftat begeht, kann ihm das Wahlrecht entzo­gen werden, indem Sie unklar formulieren. Sie sagen: Das Wahlrecht darf entzogen werden, wenn das unter Zugrundelegung der Umstände des Einzelfalles geboten ist. Ich gehe davon aus, dass die europäischen Gerichte diese Leerformel – ich muss das schon so formulieren –, die verschweigt, dass das nur in einem eingeschränkten Seg­ment möglich ist, nämlich bei Gefährdung von Demokratie und Rechtsstaat, im Lichte der EGMR-Judikatur interpretieren werden und dass selbstverständlich immer nur dann das Wahlrecht zukünftig entzogen werden wird, wenn bestimmte politische Delik­te vorliegen.

Es stimmt also nicht, wenn Sie sich da herstellen und relativ scharf behaupten, wenn jemand eine schwere Straftat begangen hat, dann wird er in Zukunft nicht wählen dürfen. Sie versuchen das im Gesetz nur zu verbergen, weil Sie offensichtlich zu wenig Mut haben, die Rahmenbedingungen der Europäischen Menschenrechtskonvention hier zu vertreten. Wir haben den Mut. Man muss sich überhaupt die Frage der Sinnhaf­tigkeit von Nebenstrafen stellen, denn seien wir ehrlich: Kein Straftäter wird sich eine Straftat überlegen, weil Sie ihm das Wahlrecht streichen! Das ist ein Nebenschauplatz, der eigentlich nicht mehr zeitgemäß ist, der nachwirkt aus der historischen Überlegung, dass man sagt, Bürgerrechte können auch verwirkt werden.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich, und da nehme ich jetzt ein Beispiel, wo die Grünen unver­dächtig sind, das Verbotsgesetz: Mir ist es, wenn jemand nach dem Verbotsgesetz im


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