Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll112. Sitzung / Seite 59

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Ich sehe die heute hier vom österreichischen Verfassungsgesetzgeber bekräftigte Kärntner Ortstafelregelung als Ausdruck eines neu erlangten Kärntner Selbstbewusst­seins, eines modernen, eines europäischen Selbstbewusstseins, das slowenischspra­chige und deutschsprachige Kärntner gleichermaßen umfasst. Die Familie meines Va­ters stammt aus Windisch Bleiberg, dort gibt es seit 2005 eine zweisprachige Orts­tafel – ein kleiner Zwischenschritt. Ich habe meine Großmutter mit ihren neun Ge­schwistern nie etwas anderes sprechen gehört als Windisch. Alle in meiner Familie wa­ren und sind glühende Kärntner.

Jetzt wird es 164 zweisprachige Ortstafeln geben – nicht als großzügiges Zugeständnis einer Mehrheit an eine Minderheit, sondern als Ausdruck uralter Gemeinsamkeit. (Bei­fall bei ÖVP und SPÖ.)

Für mich ist Kärnten schlicht nicht denkbar ohne seine beiden Sprachen, und für mich wird heute nicht ein Schlussstrich gezogen, sondern eine neue Seite aufgeschlagen. Und es gibt berechtigten Anlass zur Hoffnung: Mehr als jeder dritte Volksschüler be­sucht heute den Slowenischunterricht, das sind vor allem Kinder aus rein deutsch­sprachigen Familien. Der Anreiz? – Kleinere Schülerklassen, bessere Lernbetreuung, Einstieg in eine weitere Sprache und Kultur, so Professor Stefan Karner, einer der un­ermüdlichen Mitgestalter der Ortstafellösung. So, meine Damen und Herren, entsteht ein Klima des Vertrauens und der Aufgeschlossenheit.

2011 ist das Jahr 56 nach dem Staatsvertrag, dessen Artikel 7 uns verpflichtet, die Rechte der slowenischsprachigen Kärntner umzusetzen; es ist aber auch das Jahr 20 nach der Erlangung der Eigenstaatlichkeit unseres südlichen Nachbarn Slowenien, 17 Jahre nach der Volksabstimmung über den österreichischen EU-Beitritt, sechs Jah­re nach dem EU-Beitritt Sloweniens. An diese Zeit haben wir alle persönliche Erin­nerungen: Es ist unsere Zeit, wir haben sie zu verantworten. Und wir sind uns auch dessen bewusst, dass wir sehr lange – ja zu lange! – gebraucht haben, um eine taug­liche Ortstafelregelung zu finden.

Meine Hoffnung ist, dass wir alle dazugelernt haben während dieser langen und oft frustrierenden Jahre, nämlich dass tragfähige Lösungen nicht durch noch so wohl­meinende Einzelpersonen angeschafft werden können, dass sie aber auch nicht durch noch so engstirnige Einzelpersonen dauerhaft verhindert werden können, dass Ver­trauen wie Selbstvertrauen wachsen müssen und dafür offenbar viel mehr Zeit erfor­derlich ist, als viele erwartet haben, dass unverzichtbare Impulse auch in Kärnten nun­mehr aus der Zivilgesellschaft kommen – Stichwort Konsensgruppe –, von Menschen, die den Mut und die Kraft hatten, überholte Meinungen abzulegen und aufeinander zuzugehen. (Beifall bei der ÖVP.) Und vielleicht ist auch das eine Lektion: dass in Kärnten mittlerweile auch diejenigen zu Wort kommen und gehört werden, deren Wun­den noch nicht verheilt sind, und dass wir unsere inneren Ohren offen halten für ihre Sicht der Dinge.

Kärnten kann mehr, meine Damen und Herren! Ich wünsche meiner Heimat, dass sie mit der heutigen Regelung aus dem negativen Imageschatten der letzten Jahre he­raustritt. Kärnten hat neben der Mehrsprachigkeit gewichtige Standortvorteile: Die Aus­gaben für Forschung und Entwicklung sind im österreichischen Spitzenfeld, Kärnten hat den höchsten Anteil erneuerbarer Energien, in Kärnten hat sich eine Reihe euro­päischer Leitbetriebe und Weltmarktführer etabliert. Eine bessere Verständigung zwi­schen den Volksgruppen wird neue Chancen für die Zukunft und Perspektiven für die Jugend schaffen. Sie wird dazu beitragen, das menschliche und wirtschaftliche Poten­zial Kärntens noch viel besser zu nützen, und sie wird auch der Abwanderung vieler gut ausgebildeter, motivierter junger Menschen entgegenwirken.

Übrigens, meine Damen und Herren: Wer hindert uns – uns oder unsere Kinder – eigentlich daran, dem Kärntner Heimatlied eine zeitgemäßere, selbstbewusstere fünfte


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