Ich sehe die heute hier vom österreichischen Verfassungsgesetzgeber bekräftigte Kärntner Ortstafelregelung als Ausdruck eines neu erlangten Kärntner Selbstbewusstseins, eines modernen, eines europäischen Selbstbewusstseins, das slowenischsprachige und deutschsprachige Kärntner gleichermaßen umfasst. Die Familie meines Vaters stammt aus Windisch Bleiberg, dort gibt es seit 2005 eine zweisprachige Ortstafel – ein kleiner Zwischenschritt. Ich habe meine Großmutter mit ihren neun Geschwistern nie etwas anderes sprechen gehört als Windisch. Alle in meiner Familie waren und sind glühende Kärntner.
Jetzt wird es 164 zweisprachige Ortstafeln geben – nicht als großzügiges Zugeständnis einer Mehrheit an eine Minderheit, sondern als Ausdruck uralter Gemeinsamkeit. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)
Für mich ist Kärnten schlicht nicht denkbar ohne seine beiden Sprachen, und für mich wird heute nicht ein Schlussstrich gezogen, sondern eine neue Seite aufgeschlagen. Und es gibt berechtigten Anlass zur Hoffnung: Mehr als jeder dritte Volksschüler besucht heute den Slowenischunterricht, das sind vor allem Kinder aus rein deutschsprachigen Familien. Der Anreiz? – Kleinere Schülerklassen, bessere Lernbetreuung, Einstieg in eine weitere Sprache und Kultur, so Professor Stefan Karner, einer der unermüdlichen Mitgestalter der Ortstafellösung. So, meine Damen und Herren, entsteht ein Klima des Vertrauens und der Aufgeschlossenheit.
2011 ist das Jahr 56 nach dem Staatsvertrag, dessen Artikel 7 uns verpflichtet, die Rechte der slowenischsprachigen Kärntner umzusetzen; es ist aber auch das Jahr 20 nach der Erlangung der Eigenstaatlichkeit unseres südlichen Nachbarn Slowenien, 17 Jahre nach der Volksabstimmung über den österreichischen EU-Beitritt, sechs Jahre nach dem EU-Beitritt Sloweniens. An diese Zeit haben wir alle persönliche Erinnerungen: Es ist unsere Zeit, wir haben sie zu verantworten. Und wir sind uns auch dessen bewusst, dass wir sehr lange – ja zu lange! – gebraucht haben, um eine taugliche Ortstafelregelung zu finden.
Meine Hoffnung ist, dass wir alle dazugelernt haben während dieser langen und oft frustrierenden Jahre, nämlich dass tragfähige Lösungen nicht durch noch so wohlmeinende Einzelpersonen angeschafft werden können, dass sie aber auch nicht durch noch so engstirnige Einzelpersonen dauerhaft verhindert werden können, dass Vertrauen wie Selbstvertrauen wachsen müssen und dafür offenbar viel mehr Zeit erforderlich ist, als viele erwartet haben, dass unverzichtbare Impulse auch in Kärnten nunmehr aus der Zivilgesellschaft kommen – Stichwort Konsensgruppe –, von Menschen, die den Mut und die Kraft hatten, überholte Meinungen abzulegen und aufeinander zuzugehen. (Beifall bei der ÖVP.) Und vielleicht ist auch das eine Lektion: dass in Kärnten mittlerweile auch diejenigen zu Wort kommen und gehört werden, deren Wunden noch nicht verheilt sind, und dass wir unsere inneren Ohren offen halten für ihre Sicht der Dinge.
Kärnten kann mehr, meine Damen und Herren! Ich wünsche meiner Heimat, dass sie mit der heutigen Regelung aus dem negativen Imageschatten der letzten Jahre heraustritt. Kärnten hat neben der Mehrsprachigkeit gewichtige Standortvorteile: Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sind im österreichischen Spitzenfeld, Kärnten hat den höchsten Anteil erneuerbarer Energien, in Kärnten hat sich eine Reihe europäischer Leitbetriebe und Weltmarktführer etabliert. Eine bessere Verständigung zwischen den Volksgruppen wird neue Chancen für die Zukunft und Perspektiven für die Jugend schaffen. Sie wird dazu beitragen, das menschliche und wirtschaftliche Potenzial Kärntens noch viel besser zu nützen, und sie wird auch der Abwanderung vieler gut ausgebildeter, motivierter junger Menschen entgegenwirken.
Übrigens, meine Damen und Herren: Wer hindert uns – uns oder unsere Kinder – eigentlich daran, dem Kärntner Heimatlied eine zeitgemäßere, selbstbewusstere fünfte
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