Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll139. Sitzung / Seite 25

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9.52.08

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Damen und Herren Abgeord­nete! Es sind nun in den letzten drei Jahren 22 Krisengipfel vorbeigegangen, 22 Kri­sen­gipfel der Staats- und Regierungschefs. Ich glaube, das ist eine gute Gelegenheit, um ein bisschen Bilanz zu ziehen, wie die Krise „bewältigt oder nicht bewältigt“ wurde, zu schauen, wo wir jetzt stehen, und auch eine Bilanz zu ziehen über den Zustand der europäischen Institutionen.

Diese Bilanz ist eigentlich sehr ernüchternd, wenn man sich vor Augen führt, was bei diesen 22 Krisengipfeln passiert ist. Vorher wurde immer der Ausnahmezustand erklärt und gesagt, in den nächsten 10 Tagen muss das europäische Projekt gerettet werden, und dann ging es ausschließlich um die Beruhigung der Märkte, und einen halben Tag später war alles wieder beim Alten. Das, was nebenbei passiert ist, ist im Wesentlichen ein ganz dramatischer Prozess der Entdemokratisierung. (Beifall des Abg. Dr. Hübner.)

Das muss man einmal aussprechen! Europa wird im Moment im Ausnahmezustand regiert. Die nationalen Parlamente, aber auch das Europäische Parlament sind auf die Seite gedrängt worden, und diese Entdemokratisierung wird als Kollateralschaden irgendwie in Kauf genommen, ohne dass man sich tatsächlich überlegt, in welche Richtung man weiter gehen möchte. Das ist auch mein Vorwurf an Sie in der Bundesregierung: Wir warten seit mittlerweile drei Jahren auf nachhaltige Lösungen für die Regulation der Finanzmärkte. (Beifall bei den Grünen.)

Noch Ihr Vorgänger, Frau Ministerin Fekter, hat versprochen, in einer Arbeitsgruppe werden innerhalb von ganz wenigen Monaten harte Maßnahmen auf den Tisch gelegt. Es ging damals um das Zurückdrängen der Macht der Rating-Agenturen, um die Finanztransaktionssteuer, um die Frage, sich bestimmte gefährliche Derivatprodukte anzuschauen und unter Umständen auch zu verbieten. Es ging um kurzfristige Maßnahmen, um langfristige Maßnahmen. Aus diesem Paket wurde bis zum heutigen Tag unterm Strich original nichts.

Es gibt eine ausschließliche Fokussierung und ein ausschließliches Hinstarren auf die Haushaltspolitik, auf das sogenannte Sparen. Sie sehen aus dieser Perspektive die gesamte große Lösung der Finanzmarktkrise überhaupt nicht mehr, weil Sie sich ausschließlich auf die Merkel‘sche Sparpolitik konzentriert haben, die unterm Strich Europa in eine noch größere Krise hineingeführt hat, als es bereits war. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Vizekanzler, also wenn Sie sagen: Verantwortung, kein Weg führt an der Schul­denbremse vorbei!, dann kann ich Ihnen nur zurückgeben: Verantwortung, kein Weg führt an der Gerechtigkeitsdiskussion vorbei! (Beifall bei den Grünen.)

Weder bei der Frage, wie man in Zukunft die Finanzmärkte stärker regulieren kann, noch bei der Frage, wie die Lasten der Krise gebürdet werden, wer die Lasten der Krise zahlt, sind wir einen Schritt weitergekommen, leider.

Ich muss Sie schon auf ein paar Dinge hinweisen. Wenn Sie behaupten, dass das ausschließliche Problem der jetzigen Situation das sogenannte Schuldenmachen war, dann schauen Sie sich einmal die Staaten an, die Sie da in die Pflicht nehmen wollen. Irland und Spanien waren Musterkandidaten nach dieser Haushaltsdisziplin: Schulden­quoten von 29 beziehungsweise 42 Prozent, weit unter Maastricht, mit Überschüssen! (Abg. Kopf: Das war einmal!)  Ja, das war einmal, und die Finanzmarktkrise war der Auslöser für die europäische Krise. Das heißt, es gilt den Finanzmarkt zu regulieren und jetzt nicht ausschließlich jegliche Investition in ganz Europa kaputtzusparen. Vor dieser Gefahr stehen wir jetzt. (Beifall bei den Grünen.)

 


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