Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll139. Sitzung / Seite 26

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Mit dem jetzigen Gipfel ist diese einseitige Orientierung noch verschärft worden. Und man fragt sich schon: Gerade hat das Europaparlament mit neuen Haushaltsregeln die Vorgaben verschärft. Trotzdem ist bei diesem Gipfel nichts anderes herausgekommen als eine weitere Verschärfung der Haushaltsdisziplin, noch dazu nicht einmal innerhalb der europäischen Verträge, sondern weiter im entdemokratisierten, intergouverne­mentalen Raum. Das sehen wir extrem kritisch. Europa kann so nicht mehr weiter­arbeiten. (Beifall bei den Grünen.)

Das bedeutet eine massive Entdemokratisierung, und es gibt damit auch keine Legi­timation mehr, auch vor den Wählerinnen und vor den Wählern. Das sollten Sie sich einmal vor Augen führen! Hätten wir die letzten drei Jahre in einem Konvent im Europaparlament einmal sehr sauber die neuen Vorgaben für eine Fiskalunion, für eine Wirtschaftsunion, für eine Umwelt- und Sozialunion diskutiert, daraus vernünftige Schritte gezogen und hätten das unter Umständen auch einer Volksabstimmung euro­pa­weit unterzogen, wären wir einen ganz massiven Schritt weiter. Jetzt ist es too little, too late, von Gipfel zu Gipfel hechelnd, immer mit derselben 24-Stunden-Vorgabe, und im Nachhinein sollen die nationalen Parlamente das ratifizieren, „das fressen, was als Tischvorlage vorgelegt worden ist“. Das akzeptieren wir in Zukunft nicht mehr. (Beifall bei den Grünen.)

Bedauerlich, dass auch die übrigen Krisensituationen so ausgeblendet sind. Es gab gerade in Durban eine der wichtigsten Klimakonferenzen der Welt, wo nicht nur das wirtschaftliche Schicksal Europas auf der Kippe steht, sondern wo vor allem auch das Lebensschicksal von vielen Menschen in anderen Kontinenten, vor allem in Afrika, auf der Kippe steht. Diese Krisen sind vollkommen ausgeblendet. Es gibt ausschließlich nur mehr „Merkozy“-Sparpolitik. Ich halte das für eine extreme Blindheit der gesamten politischen Diskussion im Moment. (Beifall bei den Grünen.)

Wir wünschen uns von Ihnen, dass Sie diesem Europa, das sich im Moment sehr weit von dem weg bewegt, wie wir uns das vorstellen, diesem Mainstream etwas entgegen­setzen, dass Sie nicht aus den Augen verlieren, dass es um Investitionen geht. Es kann nicht sein, dass sich 23 oder 26 Staaten ausschließlich zum Sparen verpflichten und völlig aus dem Auge verlieren, dass es um Arbeitslosigkeit geht, dass es um Jugendarbeitslosigkeit geht, dass es um Investitionen in Bildung, in Beschäftigung, in die Zukunft geht, und das in keiner Weise in einer Gipfelresolution zum Ausdruck kommt, sondern man sich ausschließlich aufs Sparen verständigt. Das ist zu wenig.

Wir verlangen von Ihnen, dass Sie sich ernsthaft – und wirklich ernsthaft und nicht nur bei Pressekonferenzen und gegenüber dem Boulevard – mit Finanztransaktionssteuer, mit einem Zurückdrängen der Macht der Rating-Agenturen, auch mit Feuerwehrmaß­nahmen wie EZB sehr viel stärker beschäftigen und nicht nur das nachplaudern, was das Diktat Merkel und Sarkozy bei den Ministerräten vorgibt. (Beifall bei den Grünen.)

Wir verlangen noch etwas von Ihnen, nämlich auch wieder die Parlamente mit einzu­beziehen und nicht bei Zweidrittelmehrheiten in Brüssel ohne einen Parlamentsvor­behalt Zusagen zu machen. Sie können sich in Zukunft nicht sicher sein, und bei den Grünen schon gar nicht, dass wir Ihnen die Mauer machen bei Dingen, die Sie nicht in irgendeiner Weise demokratisch legitimieren wollen. Diese Form des Ausmachens im Europäischen Rat, ohne die Parlamente zu befassen, ohne das Europaparlament mit Kontrolle zu befassen, das ist etwas, worauf Europa sicher nicht bauen kann. Mit den Grünen können Sie in dieser Form schon gar nicht darauf bauen. (Beifall bei den Grünen.)

Entweder Sie nehmen das Projekt Europa ernst, als ein demokratisches Projekt, als ein Projekt, wo Bürgerinnen und Bürger auch mitreden können und damit auch die Parlamente und das Europaparlament mitreden können, oder Sie verfolgen einen Kurs


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