Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll140. Sitzung / Seite 140

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justizpolitischer Geschichte gibt, das in Österreich nicht aufgearbeitet ist. Und wir haben uns immer gefragt, warum das so ist und ob das immer so bleiben muss. – Das waren die Verurteilungen in der Ära des Austrofaschismus.

Es ist heute schon viel über die Verurteilungen gesprochen worden. Alleine im Zuge der Februarauseinandersetzungen hat es ja 21 Todesurteile gegeben, zahlreiche Kerkerstrafen und über 10 000 Anhaltungen. Es war für uns immer befremdend, dass diejenigen, die für die Demokratie eingetreten sind, streng genommen, auch wenn es eine Amnestie gegeben hat, vor dem Gesetz immer noch verurteilte Verbrecher waren.

Klar war auch, das war ein zeitgeschichtliches Minenfeld. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich bei einem Montags-Standard-Gespräch gesessen bin, bei dem der ehemalige Nationalratspräsident Khol einen durchaus bedeutungsvollen Satz gesagt hat: Für ihn ist klar, dass die Erschießung des Nationalratsabgeordneten Koloman Wallisch unrecht war und dass das nicht demokratisch war, dass das ein Zeichen ist, dass jetzt die Zeit angebrochen ist, hier auch den notwendigen Schritt zu setzen. Es hat dann den Antrag der Grünen auf dieses Rehabilitierungsgesetz gegeben, und es hat einen Justizausschuss gegeben, bei dem auch bekannt wurde, von SPÖ und ÖVP, dass man diese Zeit offensiv in einem Rehabilitierungsgesetz aufarbeiten will.

Es ist immer in der Natur der Sache, dass die Opposition skeptisch ist, wenn die Regierung etwas beteuert. Ich war mir nie hundertprozentig sicher, ob es auch ganz ernst gemeint ist, aber für uns war damals klar: Ja, versuchen wir das und legen wir diesen Prozess auch in die Hände der Präsidentin Prammer und des Präsidenten Neugebauer! Und letztendlich hat dieser Prozess auch zum Erfolg geführt.

Es waren aber lange und zähe Verhandlungen. Ich glaube, wir haben zwei bis zweieinhalb Jahre in zähen und harten Gesprächen miteinander verhandelt. Ich muss aber dazu sagen, die Gespräche waren insofern angenehm, nicht weil wir immer einer Meinung waren, sondern weil ich immer den Eindruck hatte, egal, welche Position geäußert wird, es gibt ein Interesse an der Position des anderen und man ist an einer Lösung interessiert.

Geholfen hat uns natürlich auch, dass die Historikerinnen und Historiker sich sehr offensiv zu Wort gemeldet haben und auch ganz klar zum Ausdruck gebracht haben, dass der Rehabilitierungsschritt notwendig ist. Noch im September hat es einen Entwurf gegeben, bei dem die Grünen nicht zugestimmt hätten, weil er uns vom Rahmen her zu wenig weitreichend war. Es war aber möglich, dann weitere Gespräche zu führen und jetzt zu einem Ergebnis zu kommen, auf das wir stolz sein können, das umfassend ist.

Es ist nicht das Ende der zeitgeschichtlichen Forschung, das ist klar – das haben wir auch bei den Wehrmachtsdesserteuren und bei anderen Opfergruppen immer wieder gesehen –, aber es ist jedenfalls ein guter und wichtiger Zwischenschritt, der doch einige bemerkenswerte Feststellungen enthält: Im Kern ist es natürlich die Urteils­aufhebung, das ist klar, gegenüber all jenen, die für ein demokratisches und unabhängiges Österreich eingetreten sind. Es werden aber auch die Bescheide über Anhaltungen in Wöllersdorf aufgehoben. Das heißt, man geht über den klassischen Bereich der Urteile hinaus. Es wird die Rehabilitierung ausgesprochen. Es wird klar ausgesprochen, dass die Urteile und Anhaltungen unrecht waren. Das halte ich für einen sehr wichtigen symbolischen Akt.

Es wird auch ausgesprochen, dass Hoheitsgewalt gegen jene, die für die Demokratie eingetreten sind, demokratischen Prinzipien widersprochen hat. Das ist eine wichtige Generalklausel, weil man wissen muss, dass es viele Sanktionsformen gegeben hat. In Wien sind beispielsweise sozialdemokratische Direktoren abberufen worden. Das kann


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