Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll140. Sitzung / Seite 148

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hat sich gezeigt, dass in Wahrheit eine parteipolitische Mobilisierung stattfindet: Die unsägliche Faxwahl wurde in der Praxis ein Mobilisierungsmatch zwischen den Parteisekretariaten von SPÖ und ÖVP, aus deren Zentralen die Abstimmungsfor­mulare passenderweise gleich zu Tausenden gefaxt wurden.

In der Struktur der Entscheidungsfindung ist parteipolitische Einflussnahme somit keine Ausnahmeerscheinung, sondern der Kern der Konstruktion. Das ORF-Gesetz sichert der jeweiligen Bundesregierung eine strukturelle Mehrheit in allen Gremien des Österreichischen Rundfunks.

Die Abhängigkeit der Generaldirektorin / des Generaldirektors von der Politik be­schränkt sich in der Praxis nicht auf die eigene Wahl. Zwar wird die zentrale Leitungs­funktion einzeln gewählt, in der Praxis wird diese Wahl aber schon von Zugeständ­nissen für die Bestellung der DirektorInnen und LandesdirektorInnen und weiterer wesentlicher Personalentscheidungen abhängig gemacht. Formal wäre die General­direktorin / der Generaldirektor in der Entscheidung für seinen Vorschlag zwar frei, in der Praxis knüpfen viele StiftungsrätInnen, insbesondere jene der Länder, ihr Abstim­mungsverhalten an weitgehende Zusagen für Postenbesetzungen.

Aber auch damit ist es nicht getan. Insbesondere bei budgetären Fragen haben politische Parteien ihren Einfluss immer wieder öffentlich geltend gemacht, sei es bei der Zustimmung zum Budget oder zur Festsetzung der Programmentgelte. Die Frage der Festsetzung des Programmentgelts obliegt etwa formal dem Stiftungsrat und einer behördlichen Prüfung. In der Praxis erfolgt die Freigabe durch die Regierungsparteien – erst vor wenigen Wochen durch die Klubobleute Cap und Kopf.

Personalentscheidungen der letzten Monate machen deutlich, wie sehr der ORF am Gängelband politischer Einflussnahme und persönlicher Interessen hängt:

Der frühere Abgeordnete und Geschäftsführer der Tiroler ÖVP, Helmut Krieghofer, wurde zum Tiroler Landesdirektor bestellt. Noch dazu war Krieghofer in den letzten beiden Jahren Vertreter des Landes Tirol im Stiftungsrat des ORF.

Michael Götzhaber, Mitglied des Stiftungsrats und des Zentralbetriebsrats von der SP-nahen „Liste Perspektive“ wurde zum Technischen Direktor bestellt.

Am 23. Dezember 2012 gab Generaldirektor Wrabetz die Bestellung des bisherigen Leiters des SPÖ-Freundeskreises im ORF, Nikolaus Pelinka, zu seinem Büroleiter bekannt. Erst Tage danach wurde die Verpflichtung zur Ausschreibung des Dienst­postens erfüllt.

Im Rahmen dieses weihnachtlichen Personalpakets wurde auch die Bestellung des ÖVP-nahen Mitglieds des Zentralbetriebsrats und Stiftungsrats, Robert Ziegler, zum Bundesländerkoordinator bekanntgegeben.

Thomas Prantner, vormaliger Onlinedirektor, der durch die Reduktion von sechs auf vier DirektorInnen seinen Posten verloren hatte, wurde zum stellvertretenden Technischen Direktor ernannt, eine Position, die es vorher nicht gegeben hat. Für Prantner hatten sich BZÖ und FPÖ eingesetzt. „Dass Prantner auch unter der neuen Geschäftsführung mindestens den Posten eines Vizedirektors innehaben sollte, war dem Vernehmen nach eine Bedingung von FPÖ-Stiftungsrat Norbert Steger für die Wiederwahl von Generaldirektor Alexander Wrabetz. Steger wurde damals mit den Worten zitiert: ‚Ich werde meine Stimme von der Zukunft des Online-Direktors Thomas Prantner abhängig machen.‘“ (Standard, 23. 12. 2011)

Im Vorfeld der ORF-Gesetzesnovelle im Jahr 2010 haben Bundeskanzler Faymann und Medienstaatssekretär Ostermayer bereits im März 2009 eine Verkleinerung des ORF-Stiftungsrates angekündigt. Sie sprachen dabei auch von einer Entpolitisierung


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