Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll140. Sitzung / Seite 168

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es unmöglich sein kann, von einer Entscheidungsfunktion über die Generaldirektoren und sonstige Funktionen direkt in die operative Unternehmenstätigkeit überzugehen. – Das ist das eine.

Zum anderen, und da gebe ich einmal ausnahmsweise dem Herrn Bundeskanzler recht, kann es nicht so sein, dass in einem öffentlich-rechtlichen Unternehmen die repräsentative Demokratie nicht mitreden kann. Wer sonst, meine Damen und Herren, außer uns ist denn legitimiert, die Interessen unserer Wählersegmente zu vertreten? Natürlich gehört, solange wir das Modell der Gebührenhoheit haben, solange wir ein Modell eines öffentlich-rechtlichen Unternehmens haben, die Politik dazu verpflichtet, würde ich sogar sagen, die Interessen ihrer Wähler wahrzunehmen. Unanständig wird es dann, wenn man versucht, direkt in die Berichterstattung einzugreifen. Das soll man nicht machen, aber man soll darüber wachen, dass nicht eine Soap-Opera nach der anderen rauf und runtergespielt wird. Man soll darauf achten, dass mehr Qualität, mehr Eigenproduktionen, mehr Rot-weiß-rot-Anteil in der Sendeleiste des ORF aufscheinen. Man soll auch Beschwerden entsprechend vertreten können, und ja, es sollen natürlich auch die Interessen jenes Wählerkreises und jenes Wählersegments, das uns hierher ins Hohe Haus entsandt hat, wo wir auch Stiftungsräte nominieren dürfen, berück­sichtigt werden. Demokratie ist etwas Gutes und nichts Unanständiges.

Wirklich kraus wird es, Herr Brosz, wenn Sie das ÖIAG-Gesetz als Vorbildmodell für den künftigen ORF-Stiftungsrat namhaft machen wollen. Glauben Sie denn wirklich, dass der ÖIAG-Aufsichtsrat ein bisschen weniger verpolitisiert ist, als das beim ORF der Fall ist? – Mitnichten! Das wäre eine Scheinobjektivierung, die man nicht braucht.

Es gibt einen zweiten Weg, nämlich: Man entlässt den ORF in die Unabhängigkeit. In die Unabhängigkeit entlassen heißt, in den privaten Sektor entlassen. Dann ist aber Schluss mit den Gebühren, dann ist Schluss mit irgendwelchen Zuschüssen in irgendwelchen Notsituationen, in denen wir nach Mehrheiten suchen müssen, um den ORF zu erhalten beziehungsweise um Möglichkeiten aufzuzeigen, wenn die Gebühren nicht mehr aufgebracht werden können.

Mein Modell geht in die Richtung, dass man dieses antiquierte Gebührenmodell abschafft. Das ist im Jahr 2012 nicht mehr tragfähig. Jeder von uns hat 100, 200, 300 oder vielleicht noch mehr Sender zu Hause zur Verfügung, viele Menschen schauen gar nicht mehr ORF angesichts der Vielfalt an alternativen Möglichkeiten. Weshalb sollen diese Menschen unbedingt für den ORF zahlen müssen, zumal für die Gebühren noch immer ein entsprechender verbriefter Gegenwert vorhanden sein muss? Mein Vorschlag wäre, wie gesagt, das Modell der ORF-Gebühren abzuschaffen und dafür eine allgemeine Medienförderung zu etablieren, fair, modern, nachvollziehbar. Unter dieses Dach Medienförderung könnte man dann sämtliche Medien Österreichs stellen, den Printbereich, den TV-Bereich, den Radio-, aber auch den Internet- und Online-Bereich, der immer mehr an Förderungswürdigkeit gewinnt.

Unter solch einem Dach hätte auch ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk ohne Gebühren­hoheit eine Zukunft, wenn er sich auf seinen öffentlich-rechtlichen Charakter besinnt, wenn durch die Entscheidungsträger anerkannt wird, dass er auf Qualität im Programm Wert legt, dass seine Berichterstattung einen hohen Rot-weiß-rot-Anteil hat, dass es sich um eine Sendeanstalt handelt, die im Land zu haben jeder Österreicher froh ist. Dann ist die Förderungswürdigkeit gegeben, nicht aber, wenn man nach dem Modell der Zwangsgebühren agiert, einer Verpolitisierung zuspricht, die unanständige Ausmaße annimmt und in letzter Konsequenz auch dem Unternehmen und vor allem dem Programm ganz massiven Schaden zufügt.

Ich denke, der ORF in seiner jetzigen Form muss an Haupt und Gliedern massiv refor­miert werden. Wir brauchen – Herr Brosz, da haben Sie recht – dringend Regelungen,


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